Darkover 06 - Die Flamme von Hali
wischte sich die Stirn mit einem bestickten Taschentuch. Ihr Sessel, ein sehr anmutiges Möbelstück, schien eher für eine junge Damisela geeignet zu sein als für eine Person ihres Umfangs. Neben ihr, auf einem ebenso eleganten Tisch, stand ein Teller mit Delikatessen bereit: konzentriert süßes Gebäck, wie Eduin es oft nach anstrengender Turmarbeit zu sich genommen hatte.
Er verbeugte sich, als der Page ihn und Saravio vorstellte und ihnen den Namen der Dame nannte. Eduin erkannte erschrocken, dass er Linella Marzan vor sich hatte, die Gemahlin von Juliannas Furcht erregendem General.
»Oh, ich habe solche Kopfschmerzen«, jammerte die Dame. »Und dieses Pochen in meiner Brust; ich kann einfach keine Erleichterung finden. Ich glaube nicht, dass mir irgendeine Macht noch helfen kann, aber die liebe Romilla, dieses reizende Mädchen, sagte, dass Euer Gesang ihr so gut getan hat. Was kann es schon schaden?«
Sie hielt inne und griff nach einer Hand voll kandierter Nüsse. »Für meine Nerven«, sagte sie, als sie Eduins Blick bemerkte. »Ihr müsst wissen, ich bin so empfindsam, dass mich bereits die kleinste Kleinigkeit erschüttert. Ihr seht ja, was das aus mir macht. Die kleinste Störung der ätherischen Aura! Ich hätte in einen Turm gehen sollen, aber meine Gesundheit ließ es nicht zu. Ich hätte die Anstrengung nie ertragen können.«
Sie hielt kurz inne, um die Nüsse zu essen und sich mit schlaffer Hand Luft zuzufächeln. Eduin murmelte etwas darüber, wie glücklich sich die Königin schätzen konnte, eine so begabte Hofdame zu haben.
»O ja, sie verlässt sich vollkommen auf mich. Und das sagt Euch auch, wie wichtig, ja essentiell es ist, dass ich bei Gesundheit bleibe. Mein Kopf quält mich aufs Grausamste. Ich glaube nicht, dass es Hilfe dafür gibt. Aber ich beschwere mich nie, ich ertrage es einfach. So gut ich eben kann. Diese Last ist der Preis, den ich für eine Begabung wie die meine zahlen muss. Ah!« Sie stieß einen gewaltigen Seufzer aus.
Eduin machte ein paar tröstliche Bemerkungen und begann dann, das Zimmer zu arrangieren, stellte Stühle für Saravio und die Gesellschafterinnen der Dame zurecht und nahm den Tisch mit dem Essen einfach weg. Er wollte keine zusätzlichen Freuden gestatten, sobald Saravio begonnen hatte zu singen. Eine der Gesellschafterinnen, ein hübsches junges Mädchen aus einem niedereren Adelshaus, brachte eine kleine bauchige Gambe und ließ sich auf einem gepolsterten Hocker zu Füßen ihrer Herrin nieder. Sie beugte sich über das Instrument, die Wangen gerötet, der Blick verträumt.
Als die Lady vorbereitet war, berührte Eduin die Oberfläche ihres Geistes. Er suchte nach einem Erinnerungsfetzen, dem Bruchteil eines Gesprächs, nach irgendetwas, das ihm sagen konnte, welchen Einfluss sie auf ihren Gemahl hatte, oder ob er ihr Dinge anvertraute. Vielleicht unterhielt der General sich mit ihr im Bett, oder wenn die Sorgen, die seine Position als General mit sich brachten, ihn zu sehr bedrückten. Selbst eine alberne alte Frau konnte eine mitfühlende Zuhörerin sein.
Eduin fand wenig Nützliches. Er würde die Dame vielleicht veranlassen, hin und wieder den einen oder anderen Satz fallen zu lassen, eine Frage, eine Erwähnung von Varzil in einem negativen Kontext. Wahrscheinlich wäre es das Beste, sie von Saravio abhängig zu machen. Das würde nicht schwierig sein, wenn man bedachte, wie empfänglich sie jetzt schon war. Er würde ihr eingeben, wie wohl sie sich nach Saravios Behandlung fühlte, und dass der Gesegnete ihr stets zu Diensten sein würde.
Sie würde Saravios Gesang vielleicht nur für einen erfreulichen Zeitvertreib halten, bis sie versuchte, ohne ihn zurechtzukommen. Dann würde das Verlangen beginnen. Sie mochte einige Zeit dagegen ankämpfen, wenn sie klug genug war, es als das zu erkennen, was es war, aber am Ende würde sie diesen Kampf verlieren.
Und dann wirst du alles tun, um den gesegneten Sandoval wieder für dich singen zu hören .
Selbst wenn sich erweisen sollte, dass Lady Linella nichts wusste, würde sie mit ihren Freundinnen sprechen. Mehr würden kommen, um das heilende Lied zu hören, und einige von ihnen hatten vielleicht Einfluss auf sehr mächtige Männer. Es war durchaus möglich, dass selbst die Königin davon hörte…
Am Abend des Mittsommerfests saßen Romilla und ihr Vater auf Ehrenplätzen an der königlichen Tafel. Der Saal war mit Strohkränzen und Wildblumen
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