Darkover 08 - Die Erben von Hammerfell
beruhigendes Schaukeln, und er dachte an die Kinderzeit, als er ebenso am Hals seines kleinen Schaukelpferds gehangen und sich in Trance geschaukelt hatte. Oft war er sogar auf dem Pferderücken eingeschlafen. Das könnte ihm jetzt auch passieren, dachte er, aber wenn er dann wieder aufwachte, stellte er vielleicht fest, daß alles nur ein bizarrer Traum gewesen war.
So schnell ritt er, daß er, ehe er sich dessen bewußt wurde, die Tore von Thendara erreichte. Aus dem Wachhäuschen rief ihn eine Stimme an: »Wer reitet da im Dunkeln zu dieser gottverlassenen Stunde, wenn die Stadttore geschlossen und ehrliche Bürger in ihren vier Wänden und im Bett sind?«
»Ein ebenso ehrlicher Bürger, wie du es bist«, antwortete Alastair. »Ich bin der Herzog von Hammerfell und nach Norden auf einer Mission unterwegs, die nicht auf das Tageslicht warten kann.«
»Und?«
»Und deshalb öffne das Tor, Mann, dazu bist du doch da, oder?«
»Zu dieser Stunde? Ob Herzog oder nicht, dieses Tor wird vor Tagesanbruch nicht geöffnet – nicht einmal, wenn Ihr der König selbst wäret.«
»Laß mich mit deinem Sergeanten sprechen, Soldat.«
»Wenn ich den Sergeanten aufwecke, wird er Euch nur das gleiche sagen, Lord Hammerfell, und dann wird er böse auf uns beide sein.«
»Ich fürchte mich nicht vor seinem Zorn, ich vermute jedoch, du tust es«, gab Alastair zurück. »Es ist schade, daß – Juwel, komm herauf, und setz dich hinter mich.«
Er spürte, daß der alte Hund hochkletterte und sich dicht an seinen Rücken schmiegte. »Halt dich fest«, sagte er leise. »Ich meine, halte Balance, altes Mädchen.«
Hatte er vergessen, wie hoch das Stadttor war – fünfzehn, zwanzig Fuß? In seinem traumartigen, verzauberten Zustand kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, an den Kräften des Pferdes zu zweifeln. Er spürte, wie das Pferd sich auf den Sprung vorbereitete, und gleich darauf war die Welt unter ihm entschwunden, und sie stiegen und stiegen. Es schienen Stunden zu sein, die sie fielen, und dann setzte die Stute so weich auf, als habe sie nur einen Baumstamm übersprungen. Juwel glitt aus dem Sattel und rannte wieder lautlos auf dem unebenen Pflaster hinterher.
Alastair erkannte, daß er sich schon weit außerhalb der Stadt befand, ohne eine sehr deutliche Vorstellung davon zu haben, wie er so schnell dorthin gekommen war. Er raste weiter in die Dunkelheit, sicher, daß sein Pferd durch die Magie seiner Mutter nicht stolpern würde.
Kurz vor Morgengrauen passierte er Hali, hörte die Hufe seines Pferdes auf den Steinen von Neskaya klappern, und gerade als im Osten die große rote Sonne wie ein bluterfülltes Auge hochstieg, sah er den Kadarin-Fluß wie geschmolzenes Metall vor sich schimmern. Zu seiner Überraschung stürzte sich das Gebirgspferd wie ein Wassergeschöpf in die Wogen, kletterte mit Schwung das jenseitige Ufer hinauf und setzte den schnellen Lauf ohne merkliche Pause fort.
Zurückblickend sah Alastair, daß Juwel aus dem Wasser kam und in langen, geschmeidigen Sprüngen dem Pferd folgte. Er war in einer einzigen Nacht so weit gekommen, daß er den Kadarin, der zwei Tagesreisen nördlich der Stadt floß, überquert hatte.
Jetzt hatten sie das Land, das er kannte, verlassen; er war noch nie so weit in die Berge vorgedrungen. Einen Augenblick lang wünschte er, sein Bruder könne ihn fuhren, aber Juwel war zu seiner Führerin ernannt worden. Juwel! Wann war sie das letztemal gefüttert worden? »Tut mir leid, altes Mädchen«, entschuldigte sich Alastair, »eine Minute lang hatte ich dich vergessen.« Er hielt das Pferd auf einer Waldlichtung an und stieg ab. Seine Knie zitterten. In einer Satteltasche – er erinnerte sich nicht, sie gepackt zu haben – fand er kaltes Fleisch, Brot und eine Flasche Wein. Er teilte das Fleisch mit Juwel und trank etwas von dem Wein. Auch davon bot er Juwel an, aber sie schnaubte, lief davon, löschte ihren Durst an einer Quelle, kam dann zurück und rollte sich neben ihm zusammen, den Kopf auf seinem Schoß. Alastair wäre am liebsten gleich weitergeritten, doch im Gegensatz zu seinem Pferd und seinem Hund, die nicht einmal außer Atem waren, zitterte er noch immer vor Erschöpfung. Jeder Muskel bebte, als sei er nicht nur die wenigen Stunden zwischen Mitternacht und Morgen geritten, sondern die zwei Tage und zwei Nächte, die er normalerweise bis zu diesem Punkt gebraucht hätte. Juwel und das Pferd mochten dank der Magie nicht ermüden, doch das traf nicht auf ihn zu.
Er hatte
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