Darkover 09 - An den Feuern von Hastur
Wir werden in nächster Zeit nirgendwohin gehen, soviel steht fest.«
Dr. Lakshman warf einen grimmigen Blick auf den Schnee, der ungehindert durch das wirbelte, was von der Kabine der Fähre übriggeblieben war. »Wir müssen irgendwohin gehen«, stellte sie fest. »In diesem Wetter werden wir nicht lange am Leben bleiben, wenn wir kein besseres Obdach finden.«
Ysaye erschauerte, und das nicht nur vor Kälte. Neue Ängste befielen sie. Aus der einen Gefahr in die nächste. Hatten sie alle diesen langen Weg nur zurückgelegt, um hier zu erfrieren?
VIII
Nein!
Leonie fuhr aus tiefem Schlaf hoch, saß kerzengerade da und starrte in die Dunkelheit.
Sie war gefallen, aus großer und schrecklicher Höhe… Sie war mit schwindelerregender Geschwindigkeit unten gelandet…
Immer noch zitterte sie vor Angst, und der Kopf dröhnte ihr von dem Aufschlag.
Nur daß es gar keinen Aufschlag gegeben hatte. Sie war hier, sicher in ihrem Bett, in ihrem Zimmer im Turm.
Sie führte die eiskalte Hand an die Schläfe und blinzelte. Ein Traum - oder nicht?
Ein Traum vom Fallen… einer, der sie zittern ließ, als habe sie es wirklich erlebt.
Langsam kämpfte sie sich in die Realität zurück, und ihr Verstand begann wieder zu arbeiten. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gehört, wenn man vom Fallen träumte und weiterschlief und im Traum unten aufschlug, erwachte man nicht mehr, sondern starb im Schlaf. Offenbar war sie nicht tot, und doch war sie entschieden mit etwas Hartem zusammengetroffen.
Immer noch hatte sie das Gefühl einer echten Kollision. Sie hatte auch gehört, daß ein Telepath mit genügender Willenskraft fähig sei, eine Illusion in Realität zu verwandeln. Was der Behauptung, man könne an einem geträumten Sturz sterben, eine gewisse Wahrscheinlichkeit verlieh.
Leonie erschauerte. Der Kopf tat ihr weh. War es ein Traum gewesen, oder hatte ihr ein Erdbeben im Schlaf die Illusion vermittelt zu fallen und so den Alptraum ausgelöst?
Nein, es konnte kein Erdbeben gewesen sein. Den Gedanken verwarf Leonie, kaum daß er aufgetaucht war. Im Turm rings um sie war es ganz still. Reflexartig, ohne darüber nachzudenken, überprüfte ihr Geist die Turmbewohner. Fiora schlief ruhig, und die kleinen Mädchen schliefen in Meloras Zimmer, zusammengerollt wie Kätzchen. Nur die eine junge Frau am Relais war wach, und sie war so weit vom normalen Bewußtein entfernt, daß sie ebensogut auf einem der fernen Monde hätte weilen können. In Leonies Zimmer war es kühl und still, der Wind von draußen kräuselte kaum die Vorhänge. Doch das Gefühl einer Katastrophe blieb, und sie meinte immer noch, auf etwas Hartes gefallen zu sein.
Langsam ließ das Zittern nach. Leonie machte sich daran, ihre vagen Erinnerungen zu analysieren. Seltsame, fremdartige Sätze erklangen in ihrem Kopf.
Das Fahrgestell ist hin… wir werden nirgendwohin gehen…
Aber was war ein »Fahrgestell«, und warum sollte sie sich wünschen, irgendwohin zu gehen?
Jetzt, da ihre eigene Furcht verebbte, fragte sie sich, warum sie von einer solchen Verwirrung erfüllt war. Warum quälte sie der Gedanke, versagt zu haben?
Dies war Dalereuth, nicht das Gebirge - hier würde noch einige Zeit kein Schnee fallen - , was sollten da Erinnerungen an scharfe, schneidende Winde, gegen die sie ankämpfen mußte, um zu überleben?
Windscherung . Noch ein unverständlicher Ausdruck. Was war das? Und warum geriet sie bei diesem Wort in Panik?
Sie versuchte, diesen unvertrauten Wörtern eine Bedeutung abzuringen, aber plötzlich kam ihr zu Bewußtsein, daß sie keiner Sprache angehörten, die sie kannte, und daß sie ihren Sinn irgendwie erfaßt hatte, ohne genau zu wissen, wie sie ausgesprochen wurden.
Diese einfache Tatsache ließ sie einen Teil der Wahrheit erkennen, und damit begann sie zu begreifen. Die Gedanken, vielleicht sogar der Sturz und der Aufschlag, gehörten nicht ihr. Sie hatte sie von jemand anders aufgefangen.
Leonie entspannte sich ein bißchen. Als Telepathin war sie, wenn auch noch nicht schulgerecht ausgebildet, mehr oder weniger daran gewöhnt, daß Gedanken aus unerwarteten Quellen in ihr Gehirn krochen. Für sie war die Bedeutung dessen, was gesagt wurde, immer wichtiger gewesen als die Worte selbst, so daß sie nur selten über ihre Form nachdachte.
Nur einen Augenblick lang beruhigte es sie, eine Lösung des Rätsels gefunden zu haben. Doch dann
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