Darkover 09 - An den Feuern von Hastur
unterschiedlichem Erfolg - zu spielen versucht hatte.
Natürlich, diese ältere, erwachsene Version war ihr wahres Ich. Sie brauchte sich keine Gedanken zu machen, wenn sie vorgab, so zu sein. Schließlich tat sie dann doch nur so, als sei sie ihrem besten Ich ähnlicher.
Und war es nicht genau das, was die meisten Lehrer und Ratgeber wünschten?
Ihr langes Haar von leuchtendem Rot, das für gewöhnlich ordentlich geflochten war, hing ihr offen und wild beinahe bis zur Taille, als sei sie eine Heldin aus einer alten Sage. Vielleicht eine große leronis aus dem Zeitalter des Chaos…
Aber sie war wegen einer dringenden Angelegenheit hier, nicht, um dieses Märchen-Ich zu bewundern. Kaum hatte sie diesen Gedanken formuliert, als sie auch schon auf und davon war, wie der Wind durch die Überwelt strich und nach der Quelle der unerklärlichen Ängste suchte. In diesem Reich war sie imstande, sich beinahe mit der Geschwindigkeit des Gedankens zu bewegen. Sie überquerte die Ebene, über die sie auf dem Weg nach Dalereuth geritten war, und sie legte in Sekunden eine Strecke zurück, für die sie und Lorill beinahe drei Wochen gebraucht hatten. In der Ferne sah sie Burg Hastur am Rand der Hellers, und sie dachte an ihren Zwillingsbruder. Ob sich Lorill, der möglicherweise selbst träumte, ihr bei ihren Erkundungen anschließen würde? Es war schrecklich einsam hier: Sie wünschte sich glühend, er werde es tun, und hoffte, ihre Wünsche hätten die Kraft, ihn zu ihr zu bringen.
Aber sie sah ihn nicht, und sie ging allein weiter.
Diese Nacht gab es noch andere Reisende in der Überwelt. Stumme Gestalten, die ziellos oder in unbekannten Angelegenheiten dahinwanderten, kamen an ihr vorbei. Keine sprach Leonie an, keine näherte sich ihr, und sie hätte gern gewußt ob sie sie überhaupt sahen. Träumten sie, oder suchten sie etwas in dieser astralen Welt?
Doch es kam kaum darauf an, ob sie sie sahen oder nicht, denn sie hatte mit ihnen heute nacht nichts zu schaffen. Zu leicht konnte es geschehen, daß sie sich hier ablenken ließ und sich vielleicht verirrte. Deshalb konzentrierte sie Willen und Gedanken auf das, was sie geweckt hatte, und fand sich zwischen Bergen wieder. Deutlicher als alles andere wurde ihr der eisige Wind bewußt.
Leonie merkte, daß sie Wind und Kälte durch den Geist von jemand anders wahrnahm, denn hier in der Überwelt gab es weder Wind noch Wetter.
Wessen Geist?
Sie wußte es nicht, es war ein ihr ganz fremder Geist. Zwar war er menschlich, gehörte weder einem Katzenwesen noch einem der halblegendären chieri , und trotzdem hatte er mehr Fremdartigkeit an sich als alles, was sie gewöhnt war. Und eines war absolut sicher: Sie hatte ihn noch nie zuvor berührt.
Plötzlich hörte der Wind auf. Er heulte immer noch draußen, aber sie war vor ihm geschützt. Leonie stellte fest, daß sie sich innerhalb einer Hütte befand, einer primitiven Behausung.
Dann erkannte sie sie, wenn auch der Geist, mit dem sie verbunden war, sie nicht erkannte. Es war eine der Reiseunterkünfte, von denen es in den Bergen viele gab, und es drängten sich beinahe mehr menschliche Wesen hinein, als sie fassen konnte.
In diesem Wetter? Warum war eine so große Gesellschaft in den Sturm hinausgegangen? Leonie suchte nach mehr Hinweisen auf die Identität ihrer Kontaktperson, nach irgend etwas, das ihr weiterhelfen konnte.
Plötzlich konnte sie sehen, und erstaunt fand sie sich Männern und Frauen gegenüber, die seltsame und ihr ganz und gar unvertraute Kleidung trugen. Nicht nur die Männer, auch die Frauen hatten dicke Hosen und Jacken aus einem merkwürdig glatten Stoff an. Und diese Sachen waren nicht das einzige, was merkwürdig an ihnen war. Einige der Gesichter waren ihrem eigenen so ähnlich, daß sie entfernten Verwandten hätten gehören können, obwohl wenige so hellhäutig waren wie sie. Aber einige der Männer und Frauen hatten dunkelbraune Haut. Sie sahen aus, als hätten sie sich mit irgendeiner Farbe eingerieben, doch warum sollte jemand so etwas tun?
Waren sie überhaupt menschlich?
Der mit ihr verbundene Geist tat die Frage mit einem ungläubigen Ja, gewiß sind wir alle menschlich ab.
Trotzdem, die Dunkelhäutigen kamen Leonie ganz anders vor als sämtliche Männer und Frauen, die sie jemals gesehen hatte. Sie war so überwältigt, daß sie beinahe sofort in ihren Körper und in die Sicherheit und Vertrautheit des Turms
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