Darkover 22 - Die Weltenzerstoerer
Immerhin klaffte ein gewaltiger Abgrund zwischen Theorie und Praxis! Ich habe noch nie hypothetischen Geschlechtsverkehr gehabt, dachte David und merkte, daß er immer noch nicht wieder ganz nüchtern war. Wie lange das Überwechseln in die weibliche Phase wohl dauerte?
»Ich weiß es nicht«, sagte Keral, und David fragte sich, ob er die Frage laut gestellt hatte, »wir sind nicht so an Uhren gebunden wie deine Leute. Ich habe die Zeit nie gemessen. Mit einem von uns würde ich - vielleicht zwei oder drei Stunden oder weniger schätzen. Aber mit dir - ich bin nicht absichtlich so unbestimmt. Ich weiß es nicht!«
»Es spielt keine Rolle«, erklärte David schnell, denn er sah, daß Keral nahezu hysterisch war. Die Hormone sind identisch. Theoretisch müßte er auf mich genauso wie auf einen seiner eigenen Leute reagieren. Aber die psychischen Faktoren haben auch verdammt viel Bedeutung.
Eine Art grimmiger Zärtlichkeit erfüllte David. So schwierig und furchterregend dies für ihn war, für Keral mußte es noch unglaublich schlimmer sein. David brach nur ein oberflächliches Tabu gegen den Geschlechtsverkehr mit jemandem, der ähnliche Organe hatte. Und ein verdammt dummes Tabu ist es sowieso. David würde wenigstens bei seinem alten Geschlecht und seiner gewohnten Rolle bleiben. Keral mußte sich verändern, und das, nachdem er eine unvorstellbare Zahl von Jahren - wie alt war er? Drei- oder vierhundert oder noch älter? - als männliches Wesen gelebt hatte. Und - das beunruhigte David noch mehr - lieben gelernt hatte er Keral als männliches Wesen. Würde ihm Keral als weibliches Wesen so fremd vorkommen, daß die Liebe in der Fremdheit unterging? Würde er weniger liebenswert sein?
Keral zitterte immer noch heftig. David hielt ihn fest und fragte sich mit einer seltsamen, geistesabwesenden Neugier, ob ein direkterer sexueller Stimulus die psychischen oder sogar die physischen Veränderungen fördern oder behindern würde. Er mochte die Spannung lockern oder verschärfen. David wußte es nicht. Versuchsweise küßte er Keral. Keral nahm den Kuß passiv hin, er wehrte sich nicht und er reagierte nicht, und David wollte sich von ihm lösen. Aber Kerals Hände hielten ihn fest.
Verdammt! Es kommt mir so kaltschnäuzig vor, seine psychischen Reaktionen auf diese Weise auszuprobieren. Wie ein Experiment.
Endlich fand David seine Stimme wieder. »Keral, auch ich habe Angst. Ich weiß nicht, wie du reagierst oder was du in einem bestimmten Augenblick erwartest, nicht einmal, was du dabei empfindest. Wenn es überhaupt funktionieren soll, dürfen wir auf keinen Fall voraussetzen, der andere wisse . Ich habe die Erfahrung gemacht, daß dies Gedankenlesen im ungeeignetsten Moment versagt. Wenn es auch nur körperlich zustande gebracht werden soll, ganz zu schweigen von der Art, wie wir es uns wünschen, müssen wir vollkommen offen gegeneinander sein. Vollkommen. Wenn ich zu schnell vorangehe oder etwas tue, wozu du nicht bereit bist, mußt du mich aufhalten, und kränke dich nicht, wenn ich dasselbe mit dir tue. Denn wir dürfen das Risiko nicht eingehen, daß wir uns in einer Sackgasse festfahren.«
Keral lächelte geheimnisvoll: »Wir müssen eben auf Sackgassen achtgeben und uns eine Erholungspause gönnen, wenn wir auf eine stoßen. Nichts, was du tun könntest, wird mich gegen dich einnehmen. Es wäre nur ein Fehler, keine Katastrophe.«
»War es ein Fehler, dich zu küssen? Manche terranischen Gruppen… «
»Kein Fehler. Vielleicht ein bißchen zu früh für mich.«
David spürte die Anstrengung, die es Keral kostete, das alles während des schrecklichen Aufruhrs in Körper und Seele in Worte zu fassen, und das nicht einmal in seiner eigenen Sprache. Es kam ihm grausam vor, Keral dies fremde Spiel der totalen Ehrlichkeit aufzuzwingen. Er sah nur keine andere Möglichkeit, dies durchzustehen, ohne sich gegenseitig emotionale Wunden zuzufügen, die einen Keil zwischen sie treiben mochten.
Womit sollten sie die Zeit ausfüllen, in der Keral sich mit seinem eigenen Tempo auf ein unvorstellbares Ziel zubewegte? David fiel ein, daß sie sich bisher nur unter den prosaischsten Umständen unbekleidet gesehen hatten. Es mochte klug sein, sich aneinander zu gewöhnen, damit die Fremdartigkeit des anderen später nicht als Schock kam. Keral ging ganz sachlich auf seinen Vorschlag ein und bemerkte ruhig, seine Leute trügen nur bei schlechtestem Wetter oder unter Fremden
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