Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
nicht nur um eine simple Änderung ihrer Einstellung. Mikhail begriff, dass diese Leute – mit Ausnahme seiner Mutter und Dom Franciscos – wollten, dass er sie führte. Regis’ Tod hatte sie beunruhigt, und sie waren intelligent genug, um zu einzusehen, dass es ohne größere Umbrüche weitergehen musste und dass er, Mikhail, der Einzige war, der dafür sorgen konnte. Regis hatte als letztes Geschenk an Darkover den Mitgliedern des Rats der Comyn befohlen, Mikhail als seinem Erben zu folgen. Die Alternative war, wie jeder wusste, ein Bürgerkrieg, wie er auf Darkover seit Jahrhunderten nicht stattgefunden hatte Mikhail war unendlich erleichtert, und er fühlte, die meisten Anwesenden warteten nur darauf, dass er ihnen sagte, wie es weitergehen sollte. Bis zu diesem Moment war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr das allgemeine Misstrauen während der letzten fünfzehn Jahre ihn belastet hatte. Endlich würden die Comyn ihm erlauben, sie zu führen, und er konnte nur hoffen, dass er ihr plötzliches Vertrauen wert war. »Ich bin offen für alle Vorschläge, wie es weitergehen soll – und sei es, den Trauerzug abzusagen.« Dom Gabriel schüttelte langsam den ergrauten Kopf. »Nur das nicht, mein Sohn. Du darfst dich nicht hier verstecken, wie es Regis getan hat. Nein, wir müssen uns diesem Feind stellen, aber wir müssen so gut es geht dafür sorgen, dass es zu unseren Bedingungen geschieht. Wenn wir dieses Komplott als solches aufdecken können und die Föderation damit bloßstellen, wären wir in doch einer vielen besseren Position, oder?« Er wandte sich mit dieser Frage direkt an Lew Alton.
»Richtig und gut gedacht, Dom Gabriel, aber sehr schwer durchzuführen. Zunächst einmal, würde ich sagen, dürfen wir auf keinen Fall die jungen Leute mitnehmen – das wäre zu gefährlich.« Daraufhin begannen alle zu reden und ihre Ideen zu unterbreiten, nur Javanne und Francisco schwiegen beharrlich.
Mikhail hörte zu und beobachtete, und er ertappte sich dabei, dass er Dom Damon anstarte. In seinem Geist raschelte etwas wie ein Blatt Papier im Wind, eine Erkenntnis, die ihm Regis vorhin hatte zukommen lassen.
Dom Damon war unschuldig, was ein gemeinsames Komplott mit der Föderation betraf – er hatte lediglich den Versuch unternehmen wollen, Rafael an Mikhails Stelle zu setzen! Mikhail sah seinen Bruder an, den verlorenen Sohn, der steif neben ihm saß. Es hätte nicht funktioniert, aber Dom Damon war nicht gescheit genug, um das zu verstehen. Immerhin war Mikhail erleichtert über die Erkenntnis, dass er dem alten Halunken zwar nicht allzu weit trauen konnte, aber dass er wenigstens nicht in den geplanten Anschlag auf den Trauerzug verwickelt war.
»Wir sollten Francisco Ridenow junior holen«, unterbrach Danilo Mikhails Gedanken. Alle sahen ihn an. »Ich glaube, sein Sachverstand würde uns sehr helfen.« Die Anwesenden nickten zustimmend, und über Dom Franciscos Gesicht huschte ein Ausdruck, als hätte man ihm eine Gnadenfrist gewährt. Mikhail fing den Blick ebenso auf wie den geflüsterten Gedanken dahinter. Neben ihm zuckte Marguerida zusammen, und Rafael auf der anderen Seite wandte mit eisigem Interesse den Kopf zum Oberhaupt der Domäne Ridenow. Dom Francisco fuhr herum – er hatte vergessen, dass keine Dämpfer mehr vorhanden waren.
Keine Angst, Mik – ich sorge dafür, dass er dich nicht eigenhändig zu töten versucht. Als Mikhail den zornigen Gedanken seines Bruders vernahm, begann ihn eine Art Klarheit zu erfüllen, eine plötzliche wohltuende Ruhe, und er hoffte nur, sie würde lange genug andauern, bis er einen Plan ausgearbeitet hatte. Mit Marguerida und Rafael an seiner Seite und mit Donal im Rücken konnte er sich ganz der bevorstehenden Bedrohung widmen. Plötzlich erfüllte ihn die beklemmende Gewissheit, dass er sein ganzes Leben lang auf diesen Augenblick zugesteuert war – anders, als er es in seiner Jugend vorausgesehen und es sich als junger Erwachsener ausgemalt hatte. Nichts geschah so, wie er es sich vorgestellt hatte – und doch war es sein Schicksal.
22
Ein unheimlicher Klagelaut erfüllte ihren Traum. Katherine tastete im Schlaf auf die andere Bettseite. Als ihre Hand das leere Kissen berührte, wurde sie langsam wach und stellte fest, dass ihr Tränen übers Gesicht liefen. Herm war nicht da, und einen Augenblick lang dachte sie, das Herz müsste ihr brechen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie bald wieder mit ihm vereint sein würde, in einem kleinen Ort namens Carcosa,
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