Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
Sollten die Götter schlau daraus werden. Das Problem war nur, dass anscheinend nie welche da waren, wenn man sie brauchte.
Dann traf sie die plötzliche Erkenntnis, dass Mikhail seinen eigenen inneren Kampf ausfocht. Wenn es für sie schon so schwer war, wie viel schwerer musste es da für ihn sein? Niemand von ihnen war blutrünstig, und die Vorstellung, die unter den Bäumen versteckten Männer zu töten, war moralisch abstoßend, auch wenn es sich um Feinde handelte. Aber sie würde die Tat vollbringen und die Folgen für ihr Gewissen ein andermal erdulden.
Dennoch, es war schwer. Marguerida zwang sich, die Dinge so zu nehmen, wie sie waren, und fühlte, wie ihr Widerstreben endlich nachließ. Ihre nagenden Zweifel blieben, aber sie brachte sie streng zum Schweigen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das kleine Gehölz, in dem der Feind wartete. Sie spürte Wachsamkeit, Angst, Aufregung und – mit kurzer Verzögerung – noch etwas. Was war es? Unentschlossenheit, befand sie endlich, bei einer unter den vielen Personen. War das Kommandant Shen? Die wenigen Informationen, die sie von Domenic bekommen hatte, machten diese Annahme wahrscheinlich. Marguerida hatte die spontane Eingebung, dieses schwache, aber wahrnehmbare Gefühl zu beeinflussen, diese unbekannte Person in eine friedfertige Richtung zu stoßen. Das wäre bei jemandem, den sie kannte, schon ein heikles Unterfangen gewesen, und beinahe unmöglich bei einem Fremden, aber sie war dennoch versucht. Wenn sie nur zu dieser Person sprechen könnte, dann könnte sie die Befehlsstimme einsetzen. Sicher wäre es besser für den Feind, wenn er sich zurückzöge, ohne den Kampf zu eröffnen – zahlreiche Leben könnten dann gerettet werden. Die Gelegenheit verstrich. Sie fühlte, wie der Fremde seine Zweifel unterdrückte, seinen Entschluss festigte und beschloss, den Befehl zu geben. »Sie greifen an, Mik«, verkündete sie ruhig.
»Bestand daran je ein Zweifel?« Seine Stimme klang heiser vor Anspannung.
»Ja, vor einigen Augenblicken bestand einer.« »Verdammt!« »Ich weiß. Aber irgendwie kommen wir aus der Sache heraus …« Dieser Tag wird alles ändern – ich spüre das jetzt ganz deutlich! Und das Schlimmste ist, ich glaube, Varzil hat es vorausgesehen. Es ging nicht nur darum, den Ring vor Ashara in Sicherheit zu bringen, als er starb – er sagte, der Ring müsse für die Zukunft Darkovers weiter existieren! Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich werde nach dem heutigen Tag nicht mehr derselbe Mensch sein, und ich weiß nicht, ob ich damit leben kann … aber ich muss es wohl.
Marguerida sah ihren Mann kurz an und fragte sich, was er wohl meinte. Dann wusste sie es, hatte es immer gewusst, aber vor sich selbst verborgen, um sich vor dem Schmerz zu schützen, den dieser Tag ihr und ihrem Mann bringen würde. Das hier war ihr Schicksal, ihres und Mikhails. Ein schreckliches Gefühl der Hilflosigkeit überkam sie, als hätte sie nie eine Wahl gehabt. Seit jenem Tag vor vielen Jahren, als sie nach Darkover zurückgekehrt war, seit sie ihren Fuß auf die Rollbahn des Raumhafens gesetzt hatte und vom terranischen Sektor nach Thendara wechselte, war sie auf diesen Augenblick zugesteuert. Und Mikhail ebenfalls. Das konnte sie akzeptieren, auch wenn es sie Überwindung kostete, aber es waren auch andere Leute beteiligt, und Zorn blitzte in ihr auf, weil ihr seltsames Schicksal diese mit einschloss. Das war einfach nicht gerecht, entschied sie, und dann verschloss sie sich energisch allen weiteren Grübeleien.
Dirck Vancof ließ das Fernrohr sinken und wischte sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Trotz der kalten Brise, die über die Anhöhe blies, auf der er Beobachtungsposten bezogen hatte, schwitzte er wie ein Schwein. Seine Eingeweide krampften sich zusammen, und sein Schädel schien zu zerspringen. Er schüttelte den Kopf. Der Zug war weitaus besser bewacht, als er gedacht hatte, und ihm sank der Mut, ein Gefühl, das ihm nur allzu vertraut war. Er hätte sich nie auf Granfells hirnverbrannten Plan einlassen sollen.
Dann plötzlich wurde ihm fast wie durch Zauber alles völlig klar. Wenn er blieb, wo er war, würde er getötet werden.
Einen Augenblick lang war er unentschlossen – sollte er sich einfach in die Wälder davonmachen? Die Vorstellung, den Rest seines Lebens auf dieser kalten Hölle von Planet zu verbringen, war abscheulich. Schlimmer noch war, dass er ohne den Schutz des Fahrenden Volkes nur über wenige Hilfsquellen
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