Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
meine und Christines Liquidierung stehen?
Das Rolltor öffnete sich. Wir erblickten Tageslicht.
Ich konnte nicht glauben, dass es so einfach sein konnte.
Frei? Niemals!
Es war unmöglich, die Stadt unbemerkt zu verlassen.
Mir fiel nichts Besseres ein, als auf das Angebot von Madame Rose einzugehen. Christine verbarg den winzigen Leib ihres Babys unter ihrer Jacke, und wir machten uns auf in die Neal Street. Der Weg dorthin dauerte nur wenige Minuten. Meine Befürchtung, Obdachlosen zu begegnen, wurde nicht bestätigt.
Das ›Abidias Asylum‹ lag still unter einem bleifarbenen Himmel. Ich richtete alle meine Sinne auf die Ruine. Ich war wie ein Wachhund, bereit, sich auf alles und jeden zu stürzen, der Christine und ihr Erstgeborenes bedrohte. Die Ruine wirkte auf mich in diesem Moment äußerster Konzentration beinahe wie ein lebendiges Wesen. Uralt und voller Heimtücke.
Ein Obdachloser tauchte jenseits des Zaunes aus dem hohen Gras auf. Als wäre er von einer unsichtbaren Schnur in die Senkrechte geschnellt worden. Es war der Kerl mit der zerschlagenen Nase. Christine hatte ihn auch bemerkt. Sie beschleunigte ihre Schritte. Madame Rose’ Haus war nur noch ein paar Meter entfernt.
Der Obdachlose legte den Kopf schräg und stieß ein paar unartikulierte Laute aus. Aber er bewegte sich nicht vom Fleck.
Die Haustür war verschlossen. Im Eingang gab es mehrere unbeschriftete Klingelknöpfe. Ich presste meine Handfläche auf sie. In der Hoffnung, dass sie noch funktionierten. Eine Sekunde später summte zu meiner Überraschung ein automatischer Türöffner.
Wir hetzten in den ersten Stock. Die Wohnungstür stand weit auf.
»Madame Rose!«, rief Christine in den halbdunklen Flur hinein.
Keine Antwort. Ich blickte in die Küche. Keine Madame Rose.
Christine trat vor mir ins Wohnzimmer, erstarrte, ließ mit einem panischen Ächzer allen Atem aus ihrer Lunge entweichen und taumelte einen Schritt zurück.
»Ganz ruhig, meine Damen«, sagte eine Stimme.
Der Kellner aus dem ›Olympic Regent‹. Er erhob sich aus einem zerschlissenen Sessel und blickte uns mit einem milden Lächeln entgegen.
Ich überlegte, ob uns eine Flucht noch gelingen konnte.
Der Mann schien meine Gedanken zu erraten. »Bitte, bleiben Sie. Es wird Ihnen nichts geschehen.«
Ich stellte mich schützend vor Christine. »Wo ist Madame Rose?«
»Zurückgekehrt. Ihre Arbeit in Porterville ist beendet.«
Ich verstand nicht.
»Es existieren keine Lücken im System«, fuhr der Kellner fort. »Oder dachten Sie wirklich, Madame Rose hätte sonst hier, unmittelbar neben dem ›Abidias Asylum‹, wohnen dürfen? Ihre Aufgabe war Kontrolle. Darauf zu achten, welche verdächtigen Elemente sich hier aufhalten.«
»Und jetzt?«, begann ich. »Beenden Sie endlich Ihr obszönes Spiel mit uns?«
»Obszön?« Der junge Mann wirkte ernsthaft erstaunt. »Glauben Sie, Ihre Schwester würde tatsächlich den kleinen Stanley in ihren Armen halten können, wenn es nicht jemanden gäbe, der Sie die ganze Zeit beschützt und geführt hat?«
Ein Schaben in der Wand. Unmittelbar neben mir.
Der Kellner verlieh seiner Stimme ein feierliches Timbre. »Sie, Mrs. McFaden haben nicht umsonst die Karte der Herrscherin erhalten. Schönheit und Sinnlichkeit!« Er deutete mit einem Kopfnicken zur Zimmerwand. »Sie genießen seine Gunst!«
Aus dem Hohlraum im Mauerwerk drang ein einzelner Stoßseufzer. Mir wurde eiskalt.
Ich sitze in meinem Büro. Ich verstehe nun.
Wenn er früher in meiner Nähe durch die Mauern kroch und es mich wissen ließ, wollte er mich weder ängstigen noch verhöhnen.
Er hegt keine negativen Gefühle für mich. Ganz im Gegenteil. Und diese Vorstellung ist für mich ... ekelhaft. Er ist zur Eifersucht fähig. Deshalb zeigte er mir, dass Howard K. Brenner ein schmutziger Verräter ist. Der nicht zögert, die Frau auszuliefern, die ihn liebt. Er ließ mich erkennen, dass Howard an der Beseitigung Unschuldiger wie den Eltern der armen Denise beteiligt ist.
Wird seine ... das Wort klingt im Zusammenhang mit ihm widernatürlich ... Zuneigung irgendwann so übermächtig sein, dass er den direkten Kontakt zu mir sucht? Wie werde ich reagieren? Wo doch Christine ihren kleinen Stanley behalten darf. Unter der Voraussetzung, dass sie die Stadt nie mehr verlässt und den Platz von Madame Rose einnimmt.
Alle anderen Kinder, die beim Watson-Test aufgefallen sind, werden in Porterville zur Adoption freigegeben und kehren nie mehr zu ihren leiblichen
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