Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Leben, das genau in diesem Moment enden sollte.
Eine attraktive junge Frau stand im großen Lesesaal und drehte sich staunend um sich selbst.
Sarah Freeman »Wow!«
Martin »Hallo! Sind … sind Sie wegen des Jobs hier?«
Sarah »Also, wenn ich ehrlich bin … nein.«
Ich verfluchte meine Dummheit. Die Anzeige war nicht geschaltet worden.
»Schade«, hörte ich mich sagen.
Mir wurde schlagartig heiß und der Boden unter meinen Füßen weich. Ich musste mich am Regal festhalten. Schnell schob ich hinterher:
Martin »Dann kommt heute wohl niemand mehr.«
Sarah »Sie schreiben einen Job aus und es kommt niemand?«
Es spielte keine Rolle mehr. Ich redete einfach weiter.
Martin »Wen interessieren schon Bücher? Sie sind schwer und ziehen Staub an.«
Sarah »Ich lese gern Bücher.«
Ich beglückwünschte mich. 100 Punkte. Genau ins Schwarze. Warum sollte sie sonst in einer Bibliothek stehen und »Wow« sagen?
Martin »Prima. Eine Kundin mehr. Sie sind noch keine Kundin, oder?«
Sarah »Nein. Wieso?«
An dieser Stelle verweigerte mein Gehirn den Gehorsam.
Martin »Sie … Sie wären mir aufgefallen.«
Sarah »Ah.«
Die Frau, die sich in die Stadtbibliothek verirrt hatte, hieß Sarah Freeman. Die sympathische New Yorkerin war gerade nach Porterville gezogen, was ein mittelschwerer Kulturschock für sie gewesen sein musste. Sie liebte Bücher, und sie war auf der Suche nach einem Job. Ich hebelte kurzerhand Misses Johannsens Sabotageakt aus und stellte sie ein. Ich hätte zufrieden sein sollen, doch fühlte ich mich mies, als würde ich fremdgehen, obwohl ich genau wusste, dass ich dazu gar nicht in der Lage war. Ich war nämlich verheiratet. Mit Camilla Bates. Und auf gewisse Art und Weise auch mit ihrer Mutter, Dorothy Bates.
Als ich am Abend nach Hause schlenderte, begann ich zu grübeln. Sollte ich es ihnen erzählen? Was würde ich gewinnen? Wir wohnten in der Washington Avenue am Rand von Munjoy Hill, dem Stadtteil der Wohlhabenden, voller Villen und Zäune. Die Wohnung gehörte den Bates. Sie hatten gekauft, bevor die Mieten stiegen. Zwischen uns und dem ›Hudson‹ lagen die Wirtschaftgebäude der Bahn. Wir waren quasi der Lärmschutz der Schönen und Reichen. Munjoy Hill wurde dominiert vom ›Olympic Regent Hotel‹, einer luxuriösen Anlage für wohlhabende Touristen. Portervilles erste Adresse und ganzer Stolz seines umtriebigen Besitzers, des Hoteliers Frederic Seymor.
Ich schlich auf der knarrenden Holztreppe des renovierungsbedürftigen Altbaus in den fünften Stock hinauf. Camilla stand direkt hinter der Tür.
Camilla »Hey, wie war dein Tag?«
Ihr Kuss war feucht. Es hörte sich nicht so an, als würde sie eine Antwort haben wollen.
Camilla »So schlimm?«
Martin »Normal. Wieso fragst du?«
Camilla »Ich frage immer, Darling. Stimmt was nicht?«
Martin »Nein! Alles in Ordnung!«
Sie hatte mich sofort durchschaut.
Camilla »Okay. Man muss ja nicht über alles reden.«
Martin »Genau!«
Camilla »Willst du was essen?«
So schnell, wie sie mich durchschaut hatte, hatte sie es auch schon wieder vergessen. Ich ließ Umhängetasche und Jacke auf den Sessel fallen und betrat das Wohnzimmer. Es war dämmrig. Der Vorhang halb zugezogen. Das Gluckern des ›Frozen King A plus‹, einer Kühlinstallation, die die Hälfte der Küche einnahm, war der Puls der Wohnung. In der Nähe des Fensters lag ein zusammengesunkener Haufen Stoff auf einem Rollstuhl.
Martin »Dorothy?«
Ein Zittern ging durch den Kleiderhaufen. Sie war eingeschlafen.
Dorothy Bates »Hallo, mein Junge. Wie geht es dir?«
Endlich konnte ich im Dämmerlicht ihr Gesicht erkennen. Es war das schlaue Gesicht einer alten Ratte, mit den Augen eines Habichts. Obwohl ich seit zwei Jahren eine Wohnung mit ihr teilte, erschrak ich jedes Mal, wenn ich sie sah.
Martin »Danke. Und dir?«
Dorothy »Prima! Ich spring schon den ganzen Tag die Treppe rauf und runter.«
Ich musste grinsen. Sie war nicht unterzukriegen. Dorothy hatte in der Blüte ihres Lebens, im Alter von 26 Jahren, bei einem Verkehrsunfall beide Beine verloren.
Dorothy »Wie ein junges Reh. Nicht so elegant, aber so behaart.«
Camilla kam mit dem Essen aus der Küche und sah uns verwundert an. Sie bestand darauf zu kochen, obwohl sie den ganzen Tag gearbeitet hatte. Im Walmart an der Kasse. Dort waren wir uns zum ersten Mal begegnet. Ich sah die Szene vor mir, als wäre es gestern gewesen. Ich stand in der Schlange, sie saß an der Kasse.
Camilla »Wollen
Weitere Kostenlose Bücher