Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
brauchen wir nicht noch die Penner aus Downtown hier!«
»Wir schauen uns das mal an«, sagt Herb. »Sie warten beim Wagen!«
Wir überqueren die Straße und den von Unkraut überwucherten Gehweg.
»Früher war das hier Industriegebiet«, schnauft Herb. »Aber Anfang der Neunziger wurden dann plötzlich alle umgesiedelt, rüber nach Carget. Irgendwas stimmte hier mit dem Boden nicht.«
Wir sind noch keine zwanzig Yards gegangen und er ist bereits außer Atem.
»Angeborenes Lungenleiden«, behauptet er.
Ich hingegen vermute, es liegt an der Kombination aus 250 Pfund Körpergewicht und heißer Nachmittagssonne.
Herb zuckt mit den massigen Schultern. »Carget ist sowieso viel näher am Hafen.«
Die meisten Lagerhallen entlang der Straße scheinen leerzustehen, nur aus wenigen Schornsteinen kommt Rauch. Bereits hinter dem Cale River reißt die kleine Welt der Marley Avenue plötzlich auf und zerfließt hier am Stadtrand von Porterville zwischen den Schutthalden und Bauruinen. Weiter im Süden verendet sie schließlich in den tiefen Wäldern. Die Reihenhäuser, sechs an der Zahl, stehen inmitten einer kniehoch bewachsenen Wiese. Die Fenster und Türen wurden mit großen Holzplatten verbarrikadiert, um Eindringlinge fernzuhalten.
»Da!« Herb zeigt auf das vorletzte Haus; eine Holzplatte liegt davor im Gras.
Als er anklopft, schwingt die Tür bereits auf. Von drinnen ein Geräusch, ein kurzes Rascheln.
»Polizei!«, bellt Herb in das staubige Halbdunkel des Flurs.
Wieder ein Geräusch, schnelle Schritte.
»Kommen Sie raus!«
Stille.
»Das ist Privatbesitz!« Er holt noch einmal Luft. »Ich fordere Sie auf, das Gebäude zu verlassen!«
Immer noch Stille.
Ich schalte meine Taschenlampe ein und leuchte in den Flur. Der Boden ist mit Müll übersät. Am Ende des Flurs, im angrenzenden Raum, eine Matratze, davor ein Gaskocher mit Kochtopf. Aus dem Topf steigt feiner Rauch auf.
Herb sieht mich an.
»Du gehst vor«, sagt er leise, und ich ziehe meine Glock aus dem Holster. Dann verlassen wir die warme Nachmittagssonne.
Zur Linken ein weiterer Raum, früher wahrscheinlich die Küche, ebenfalls von Müll übersät. Ich gehe langsam weiter, Herb folgt mir mit zwei Schritten Abstand. Ich betrete den nächsten Raum. Neben dem Gaskocher liegt ein Bündel Kleidungsstücke, am Kopfende der Matratze einige Zeitungen. Sonst ist der Raum leer. Plötzlich direkt neben mir, an die Wand gepresst, eine Gestalt. Stahl blitzt auf. Reflexartig schlage ich mit der Taschenlampe zu, stolpere zurück und reiße die Glock hoch.
»Fallen lassen!«
Herb stürmt in den Raum. »Weg mit dem Messer!«
Der Mann steht ganz ruhig da und schüttelt den Kopf. Ein kleines Rinnsal Blut bahnt sich seinen Weg durch das verfilzte Haar über die Schläfe Richtung Vollbart.
»Nein‹, sagt der Mann. »Nein.« Und dann: »Sei endlich still!«
»Weg mit dem Messer, Arschloch!«, bellt Herb.
Der Mann lässt das Messer fallen, sieht uns an. »Entschuldigen Sie, Officer.«
»Los, rüber mit dir auf die andere Seite!«, sagt Herb. »Ganz langsam. Und jetzt setz dich auf deinen Arsch!«
Der Mann setzt sich. »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Nein, mein Freund, das glaube ich dir.« Herb hebt das Messer auf: ein Army-Kampfmesser. »Erschrecken wolltest du uns mit dem Ding ganz bestimmt nicht.«
Der Mann blinzelt in den Lichtstrahl meiner Taschenlampe. »Das war ein Missverständnis, Officer. Ich hatte nicht vor, Sie anzugreifen. Sie sagten zwar, dass Sie von der Polizei sind, aber … ich glaube nur das, was ich mit eigenen Augen sehe.« Er macht eine Pause. »Und selbst darauf kann ich mich nicht mehr verlassen.«
»Wie heißen Sie?«, frage ich.
»Edward. Edward Leroy Shipman.«
Ich erkundige mich über Funk bei Sally, ob etwas gegen ihn vorliegt.
»Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«, fragt Herb.
Shipman schaut ihn irritiert an. »Wieso? Was …« Dann bemerkt er das Blut, das aus seinem Bart tropft. »Ach das …« Er lacht kurz. »Nein, nein, das … das ist halb so wild.« Er nimmt eine der Zeitungen und presst sie gegen die Stelle, an der ihn meine ›Maglite‹ erwischt hat. »Wussten Sie, dass ich es fast mal auf die Titelseite geschafft hätte?« Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. »Aber ich hab wenig Glück mit Journalistinnen. Mit Frauen im Allgemeinen. Diese Reporterin wollte überhaupt nichts über meine Geschichte wissen. Ihre Fragen haben auch gar keinen Sinn ergeben.« Er sieht mich an. »Darf
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