Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
das Gefühl der Leere.
Er hatte im Heim der Menschen nichts zu suchen. Er konnte nur ein Eindringling sein, ungebeten, unerwünscht. Niemals Teil ihres Lebens. Er konnte nicht einmal die Männer finden, die Luisa Lopez gefoltert hatten. Er war mehr als wertlos.
»Ich werde gehen«, sagte er zu seinem Spiegelbild, als er das Badezimmer zum dritten Mal überprüfte. »Ich werde zurück zu Cyprien gehen. Er wird wissen, was mit mir geschehen soll.«
Wenn sein Freund schlau war, würde er ihn umbringen. Wenn nicht, dann war Thierry vielleicht bereit, diese Aufgabe selbst zu erledigen. Die Bitterkeit in ihm schmeckte wie das Blut von Toten. Er würde lieber schnell sterben als langsam vor Verzweiflung.
Er verließ das Haus der Nelsons und stand eine Zeit lang im Schnee. Die Lichter von Shaw House leuchteten über die Mauer und hinterließen Muster darauf. Er ging um sie herum, weil er nicht einmal das Licht berühren wollte, das aus ihren Fenstern fiel. Er war jetzt fertig, und er würde damit aufhören, sich wie ein Wahnsinniger zu benehmen. Er würde mit Valentin Jaus in Kontakt treten und ihn bitten, auf Jema aufzupassen. Jaus hatte viele Schlachten mit ihm geschlagen. Er war ein Mann von Ehre und …
Thierry runzelte die Stirn, als er den Mann, an den er gerade dachte, über die Wiese auf Jemas Haus zugehen sah. Er glaubte, sich zu täuschen, aber dann hörte er Jaus’ Stimme, als er an der Tür mit einem der Hausmädchen sprach.
Was tat der Suzerän von Chicago hier?
Thierry sprang von der Mauer und huschte an der Seite des Hauses entlang. Den Stimmen nach zu urteilen, waren Jema, Bradford, die Mutter und Jaus im vorderen Wohnzimmer versammelt. Thierry stellte sich ans Fenster und lauschte …
»Vielen Dank für die Einladung, aber ich habe bereits … gegessen«, sagte Jaus gerade. »Ich bin nur gekommen, um Ihnen Ihr Kostüm für den Maskenball morgen vorbeizubringen.«
»Sie hätten nicht persönlich kommen müssen.« Das war Jema. Es entstand ein kleines Schweigen. »Oh, Mr Jaus. Das ist wunderschön.«
Warum gab Jaus Jema schöne Dinge?
»Ich hatte gehofft, dass es Ihnen gefällt.« Jaus klang zufrieden.
Während Jaus und Jema Nettigkeiten austauschten, wurde Thierrys Verwirrung zu einem Verdacht. Er kannte den Österreicher gut. Jaus würde sich niemals mit einer Menschenfrau einlassen, es sei denn, er verfolgte damit einen bestimmten Plan. Warum sollte er Jema zu einem Maskenball einladen? Warum stattete er sie mit dem Kostüm aus? Woher kannten die beiden sich?
Thierry verfolgte Jaus, als dieser das Haus wieder verließ, und entdeckte, dass Jaus in dem Haus auf der anderen Seite von Shaw House lebte. Er verschaffte sich einen Eindruck von dem Grundstück, bemerkte die Kyn-Wachen, die alle Ein- und Ausgänge bewachten, und verschwand dann, bevor man ihn entdeckte.
So unglaublich es auch klang, Valentin Jaus schien Jemas Nachbar zu sein.
Thierry war hin- und hergerissen zwischen Belustigung und Verzweiflung. Da hatte er die ganze Zeit versucht, den Kyn zu entgehen, und dabei waren die Kyn die ganze Zeit nur einen Steinwurf von seinem Versteck entfernt gewesen.
Die Lichter in Shaw House gingen langsam aus, eines nach dem anderen. Thierry blieb im Schatten der Hauswand und lief dort auf und ab, während er zu verstehen versuchte, was er herausgefunden hatte. Wenn Jaus derart nah wohnte, war Jema sicher. Er musste den Suzerän nur anrufen und ihn über den Anschlag auf sie in Kenntnis setzen.
Als er sah, wie das Licht in Jemas Schlafzimmer ausging, wusste Thierry, dass dies das Zeichen für seinen Aufbruch war. Sie lag jetzt sicher in ihrem Bett und würde schon bald schlafen und träumen. Würde sie erleichtert sein, dass er heute Nacht nicht darin auftauchte?
Er kletterte zu ihrem Balkon hoch, bevor er wusste, was er da tat.
Ich werde mich von ihr verabschieden , versprach er sich selbst, als er auf den Balkon sprang. Ich werde sie nicht stören oder berühren. Ich werde sie nur ansehen . Er würde gehen können, dachte er, wenn er sie noch einmal sehen durfte. Noch ein Bild, das er mit sich tragen konnte auf seiner letzten Reise nach New Orleans, zu dem, was dort auf ihn wartete.
Er wagte nicht, nach ihrem Bewusstsein zu tasten, um festzustellen, ob sie schlief, aber er sah durch das Fenster. Das Licht war aus, und er konnte ihre Gestalt unter der Decke liegen sehen. Sie bewegte sich nicht.
Er wartete, zählte die Minuten, während er sie beobachtete. Fünf Minuten. Zehn. Sie rührte sich
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