Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
und schwamm nach oben, um sein Gesicht in die Luftblase zu halten. Sie tauchte neben ihm auf.
Jaus atmete nicht.
»Nein .« Sie zog ihn am Kragen zum Notausgang des Cockpits. Der Wasserdruck hatte die Tür herausgerissen, und durch sie sah sie das Ufer, das ungefähr sechzig Meter entfernt war. Sie zog Jaus’ Körper durch die offene Tür und in das Wasser. Sie schwamm auf dem Rücken und benutzte ihre Beine als Antrieb, während sie Jaus mit sich zog. Öliges Wasser bildete Strudel, als das sinkende Flugzeug schließlich ganz unter der Wasseroberfläche verschwand.
Ein paar Meter entfernt vom Ufer berührten Lilings Füße den schlammigen Boden, und sie stand auf und zog Jaus’ Körper das letzte Stück aus dem Wasser.
»Hilfe, ist da jemand, Hilfe !« , rief sie. Das Land um sie herum wirkte unbewohnt, aber in der Dunkelheit war es unmöglich zu erkennen, wo genau sie waren.
Sie vergeudete keine Zeit mehr mit Rufen, sondern rollte Jaus auf einen grasbedeckten Abschnitt des Ufers. Sie musste innehalten und keuchte, als eine Welle des Schmerzes durch ihre Seite fuhr, dann erinnerte sie sich, was im Cockpit passiert war. Sie zog ihr nasses T-Shirt nach oben, um sich die Wunde anzusehen. Wo ein hässliches blutendes Loch mit zerfetzten Rändern an ihrer Seite gewesen war, schien jetzt nur noch glatte, nasse Haut zu sein.
Die Schusswunde war verschwunden.
Liling blickte auf Jaus, der nicht so viel Glück gehabt hatte. Dutzende von hässlichen Rissen und Kratzern bedeckten sein Gesicht, und als sie danach tastete, fand sie keinen Puls an seiner Kehle. Sie würde sich um die Wunden kümmern, sobald sie sein Herz wieder zum Schlagen gebracht hatte und seine Lungen wieder arbeiteten. Gott sei Dank hatte es zu den Anforderungen ihrer Stelle im Lighthouse gehört, einen Kurs in Erster Hilfe zu machen.
»Du hast das Flugzeug gelandet, Valentin « , sagte sie zu ihm, während sie seinen Kopf nach hinten kippte. »Wir sind in Sicherheit. Also kannst du jetzt nicht aufgeben .«
Liling öffnete seinen Mund, um zu überprüfen, ob seine Atemwege frei waren, und lauschte auf Atemgeräusche. Seine Brust bewegte sich nicht, und sie hörte nichts. Sie hielt ihm die Nase zu, holte tief Luft und verschloss seinen Mund mit ihrem. Sie blies zweimal fest und versuchte, ihren Atem in seinen Körper zu zwingen.
Sie hob den Kopf. »Atme für mich, Valentin. Bitte, atme .«
Sie richtete sich auf, legte die Hand erneut an seinen Hals und lauschte. Nichts hatte sich verändert. Sie riss sein Hemd auf und suchte die Stelle an seinem unteren Brustbein, legte dort die Hände über Kreuz und fing an zu drücken, um sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Nach fünfzehn Kompressionen fühlte sie noch immer keinen Herzschlag. Sie legte ihren Mund wieder über seinen und hielt dann inne. Zuerst glaubte sie nicht, was sie sah, aber sie legte die Finger darauf. Als sie spürte, was passierte, musste sie es glauben.
Die Risse und Schnitte auf Jaus’ Gesicht schlossen sich und verschwanden, als würden sie sich selbst von seiner Haut löschen.
Kein Mensch heilte so schnell, nicht einmal, wenn Liling sie berührte, um ihnen den Schmerz zu nehmen. Sie schüttelte den Kopf, sicher, dass sie halluzinierte, und hielt ihm die Nase zu, bevor sie erneut zweimal Luft in seine Lungen blies. Als sie sich diesmal aufsetzte, waren die Wunden nur noch verblassende pinkfarbene Linien auf seiner Haut, und er öffnete die Augen.
»Valentin .« Sie rollte ihn auf die Seite, während er Seewasser herauswürgte, und hielt ihn fest, als er erzitterte und seine Lungen frei machte. Er keuchte nicht, schien auch nicht zu atmen, und sie wollte ihn schon herumrollen und erneut beatmen, als er sich aufrichtete und zu ihr umdrehte.
Nasses Haar hing um sein Gesicht, das jetzt keine einzige Narbe mehr zeigte.
Sie kam sich dumm vor, so als hätte sie etwas Wichtiges vergessen oder verpasst. Was sie auf seinem Gesicht gesehen hatte, mussten einfach Blutspritzer gewesen sein. Das Brennen in ihrer Seite kehrte zurück und ließ sie das Gesicht verziehen, während sie eine Hand an ihre Rippen presste.
»Liling .« Sie sah in seinen Augen die gleiche Verwirrung, die sie empfand. »Was ist passiert ?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss bewusstlos gewesen sein .« Sie versuchte zu lächeln. »An was erinnerst du dich ?«
»An das Landen des Flugzeugs .« Er drehte den Kopf weg und spuckte einen Mundvoll Wasser aus, bevor er endlich einatmete. »Ich habe es nicht besonders
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