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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Onkel Beau zu Mittag! «

4. Kapitel
    Tante Mame
    und die Südstaatenschönheit
    I n seiner Beschreibung jenes unvergesslichen Menschen fährt der Artikel im Digest fort, die kleine Jungfer habe regelrecht sportliches Talent besessen oder es jedenfalls in Kürze entwickelt.
    Anscheinend sorgte sie sich um ihren Findling, der zwar ein aufgeweckter Schüler und ihr und ihrer Katze ein rechter Trost war, der aber dennoch keinen Vater hatte, ihn in die Mannestugenden einzuführen. Schon befürchtete sie, er könne ein schwächlicher Stubenhocker werden, wenn sie keine Schritte unternahm. Daher bestellte sie bei Spalding eine ganze Fuhre verschiedener Sportausrüstungen und machte sich daran, ihm alles beizubringen, was er wissen musste. Es klappte vorzüglich, und im Verlauf des Trainings eignete sich die alte Dame selbst athletische Fähigkeiten an, ja, sie mauserte sich zu einer so guten Sportlerin, dass sie auf der Danbury Fair die Hälfte der Preise abräumte und den Rekord im Kugelstoßen der Damen für alle Zeiten brach.
    Ich würde nicht ganz so weit gehen und behaupten, Tante Mame hätte etwas Vergleichbares auf die Beine gestellt, dennoch erlangte auch sie in diesem Bereich einen gewissen Ruf. In einigen Landesteilen spricht man noch heute mit Ehrfurcht von ihren sportlichen Meisterleistungen nach ihrer Hochzeit mit Mr. Burnside.
    Es gibt lieblose Menschen, die behaupten, Tante Mame hätte Mr. Burnside wegen seines Geldes geheiratet. Ich räume ein, dass die Tatsache, dass Mr. Burnside als der reichste Mann unter vierzig südlich von Washington, D. C. galt, sie möglicherweise beeinflusst hat. Aber sie liebte ihn wirklich. Er war ihr Vater, Bruder, Sohn, ihr Weihnachtsmann und Liebhaber.
    Ihr neuer Ehemann, Beau, gehörte zu dem Typ Südstaatler, der groß gebaut, herzlich, umgänglich und liebenswert war. Er stammte aus einer vornehmen, alten, verarmten Familie aus Georgia, schlug allerdings unter den Generalsnachfahren ein wenig aus der Bahn, da er nicht mit Jammermiene herumlief und der sorglosen Zeit im alten Süden nachtrauerte, bevor die verfluchten Yankees das Land und die Frauen schändeten. Beau hatte in die Hände gespuckt und stattdessen Sojabohnen und Erdnüsse angebaut, während die Nachbarsippe noch immer die dürftigen Erträge ihrer Baumwollanpflanzungen beklagte. Als er neunzehn Jahre alt war, war das Land der Burnsides frei von Schulden und Erosion und warf Gewinn ab. Während seines letzten Studienjahrs an der Georgia Tech brach er auf nach Texas, um dort die unfruchtbaren Ländereien abzuwickeln, die ein ausgewanderter Vetter hinterlassen hatte, entdeckte Öl auf dem Anwesen und war mit einundzwanzig Jahren Millionär. Was Onkel Beau auch anfasste, es verwandelte sich zu Gold; er selbst freute sich und staunte über sein fortwährendes Geschick am meisten. » Pures Glück, meine Süße « , sagte er zu Tante Mame. Abgesehen von der Freude, die es anderen bereiten konnte, bedeutete Geld ihm selbst wenig. Er war Liebling aller Wohltätigkeitsorganisationen des Landes, einziger Ernährer seiner uralten Mutter und eines trägen Packs von Verwandten und leichtes Opfer für jeden, der, mit einer einigermaßen glaubwürdigen Geschichte von einem angeblich schweren Schicksal im Gepäck, ihn anpumpte.
    Onkel Beau beglich Tante Mames gesamte Schulden, verkaufte ihr Kutscherhaus– eine anständige Frau wohnt nicht in Murray Hill, sagte er–, erstattete Norah ihr Erspartes und schickte sie mit einer hübschen Rente zurück nach County Meath. Tante Mame richtete er eine Zehn-Zimmer-Suite im St. Regis Hotel ein und ermunterte sie, unverzüglich ihr altes Ausgabenniveau anzustreben. Das ließ sich Tante Mame nicht zweimal sagen.
    Sie blieb sich weitgehend treu, nur einige subtile Veränderungen fielen mir auf. 1932 war Romantik groß in Mode, aber Tante Mame setzte dem Ganzen noch eins drauf. Ihre Frisur war noch üppiger und bauschiger als bei anderen Frauen. In ihren Räumen standen immer Kamelien in Hülle und Fülle, ihre Kleider waren vornehmlich aus Organdystoffen, rüschenbesetzt, und unter ihren Röcken rauschte geradezu die Krinoline. Als Onkel Beau darauf bestand, dass sie sich porträtieren ließ, beauftragte Tante Mame einen Gesellschaftsmaler statt einen der strengen Modernen, die ihren Salon frequentierten. Das fertige Bild machte den Eindruck, als sei es nicht mit einem Pinsel, sondern mit einer Spritztüte gemalt, und Tante Mame betonte immer wieder, wie schade es doch sei, dass

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