Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Nase und nieste. Sie nieste noch einmal, betrachtete wieder ungläubig ihr Spiegelbild und drehte sich in ihrem goldenen Bett auf die Seite.
    Agnes lief im Haus umher, machte Besorgungen, führte Telefonate und füllte den Wasserkessel in Tante Mames Zimmer nach. Unten in der Bibliothek unternahm Brian einen wenig ernst gemeinten Versuch, an Buffalo Braut zu arbeiten. Meistens ging er nur auf und ab. In allem erinnerte er mich an einen Hengst, der den Winter über in einer Box eingesperrt ist. Die Mahlzeiten mit Brian und Miss Gooch waren eine Tortur. Agnes wurde mit jedem Tag ein bisschen blasser, ein bisschen gekonnt koketter, und Brian zappelte mit jedem Tag nervöser herum, bis ich drauf und dran war, ihm Salpeter in die Suppe zu streuen, wie es der Koch in St. Boniface machte.
    Tante Mame ging es zunehmend besser, aber der Arzt empfahl ihr, noch mindestens eine Woche im Bett zu bleiben. Das jedoch versetzte sie in helle Aufregung, denn sie hatte sich sehr auf die Silvesterparty gefreut, die ihr Verleger feiern wollte.
    » Ach, Patrick, Darling « , schäumte sie, » womit habe ich dieses grausame Schicksal verdient? Seit Monaten habe ich mir vorgenommen, auf Lindsays Party zu gehen, und jetzt darf ich nicht hin. Heulen könnte ich vor Wut. Ich habe ein Anrecht auf das Fest bei Lindsay, schließlich bin ich eine seiner Autorinnen. Wichtige Leute aus der ganzen Literaturszene kommen zu der Party, um mich kennen zu lernen, über mein Buch zu sprechen– und wo bin ich? Ich liege hier im Bett und leiste meinen Papiertaschentüchern und dem Wasserkessel Gesellschaft. Dabei hatte sich Brian so auf das Fest gefreut. «
    » Kann Brian nicht alleine gehen? «
    » Ach, der Arme ist doch so schüchtern. Ohne mich, die ihn überall vorstellen würde, hätte er keinen Spaß. « Da war ich mir nicht so sicher.
    » Ach je, Tante Mame, das ist ja schlimm « , sagte ich und ging nach unten, wo Brian vor lauter Mit-den-Füßen-Scharren ein Loch in den Teppich im Salon wetzte. Miss Gooch, die verführerisch auf dem Sofa saß und mit den Wimpern hinter der Brille klimperte, ignorierte er dabei geflissentlich.
    Der Tag von Lindsay Woolseys Silvesterparty kam, und Tante Mame war noch immer ans Bett gefesselt.
    Schlimmer noch, ihre Agentin rief um die Mittagszeit an und sagte, sie hoffe, dass Tante und Brian auf jeden Fall abends zur Party kämen, denn ein wichtiger Produzent von MGM habe großes Interesse an Buffalo Braut bekundet, und sie wisse aus Erfahrung, Tante Mame könne ihn mit ihrem Charme bestimmt zu einem Kauf der Rechte an dem Buch bezirzen– vorzugsweise ungelesen.
    » Ach, Mary « , jammerte Tante Mame, » es ist wirklich zu dumm, aber ich kann nicht kommen. Ist das nicht furchtbar! «
    Gestotter am anderen Ende, und dann sagte Tante Mame: » Mary, ich kann doch Brian nicht alleine hinschicken. Erstens ist er schrecklich schüchtern, und dann ist der arme Junge doch die Unschuld in Person, du glaubst es nicht! Er hat so gar nichts von meiner Geschäftstüchtigkeit. Er käme sich verloren vor. «
    Wieder Geplapper am anderen Ende, dann sagte Tante Mame: » Nein, Mary, das kommt gar nicht in Frage. Wenn ich es Ihnen doch sage– ich kenne sonst keine ungebundene Frau, jedenfalls keine, der ich trauen würde. «
    Mrs. Bishop redete weiter, dann sagte Tante Mame: » Das Problem lässt sich nicht lösen, Mary. Ich kenne keine alleinstehende Frau, die ich jetzt, um elf Uhr, erreichen könnte. Sie müssen eben ohne mich… «
    Bis heute weiß ich nicht, welcher Teufel mich ritt, aber als ich die arme Agnes, traurig und tugendhaft, auf der Chaiselongue sitzen und einen Sesselschoner häkeln sah, hatte ich plötzlich eine Eingebung. » Wie wär’s mit Miss Gooch, Tante Mame? « , fragte ich.
    » Sei nicht albern « , sagte Tante Mame. Doch dann blickte sie hinüber zu Agnes. Es war der Blick, mit dem eine besorgte Mutter ein Kindermädchen ansieht, das sie soeben eingestellt hat, damit es sich um ihr Problemkind kümmert– erleichterte Zustimmung. » Warte mal eine Minute, Mary « , sagte Tante Mame in den Hörer. Dann wandte sie sich an Agnes. » Agnes, meine Liebe, haben Sie heute Abend schon etwas vor? «
    » Ach Gottchen, Mrs. Burnside, was soll ich schon vorhaben. Silvester trinken Muttilein, Edna und ich immer Ginger Ale und essen Ednas Brownies. Dann stellen wir immer das Radio an und hören die Übertragung der Silvesterfeier aus einem der großen Hotels in New York. Eine Stunde später wird aus Chicago übertragen,