Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
schon. Ich verachte ihn. «
» Oh, dann ist ja alles gut. Ich dachte schon… Was hast du gerade gesagt? «
» Ich sagte, ich verachte ihn. Er ist ein gemeiner Heuchler, er hat die Moral einer Ziege, und er ist der schlimmste geile Bock, der in New York herumläuft… «
» Ich werd’ dir gleich… «
» Er hat so ungefähr alles flachgelegt, was sich auf zwei Beinen halten kann, und er wird weiter so machen. Seit Monaten nimmt er dich aus, und du merkst nicht einmal, dass er bisher nicht eine einzige Zeile von deinem blöden Buch umgeschrieben hat. «
» Jetzt pass aber mal auf, Freundchen… «
» Passt zu dir, sich auf so eine männliche Nutte einzulassen, die gern mal ein Auge riskiert, die mindestens zehn Jahre jünger ist als du und die sich nur aus zwei Gründen für dich interessiert– wobei Geld der eine Grund ist. «
» Du… du widerliches Scheusal! Wie kannst du es wagen, so über einen wachen Geist wie Brian zu sprechen, du… «
» Und was am schlimmsten ist: Er ist der langweiligste Mensch, der mir je untergekommen ist. «
» Raus hier! Raus aus meinem Zimmer, du Judas! Raus! Raus! Raus! «
» Ich gehe ja schon, keine Sorge. «
» Nie wieder sollst du einen Fuß hier reinsetzen. Ich will nichts mehr von dir sehen und nichts mehr von dir hören und kein Wort mehr mit dir reden. «
Gerade hatte ich die Tür zugeknallt, da zersprang ein Champagnerglas an der Wand.
Ich war so wütend darüber, dass sie ein Glas nach mir geworfen hatte, dass ich die Tür noch mal aufstieß und rief: » Schon deswegen hoffe ich, dass du ihn heiratest. Würde dir ganz und gar recht geschehen! «
» Mach, dass du rauskommst, du niederträchtiges verleumderisches Biest. Brian liebt mich! Und sobald ich wieder aufstehen kann, heirate ich ihn. «
Ich stapfte auf mein Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen.
» Patrick, Darling. Wach auf. Wach auf, mein Lieber, ich brauche dich. « Ich schlug ein Auge auf und sah Tante Mame über mir.
» Geh weg « , brummte ich. » Du hast gesagt, du willst kein Wort mehr mit mir reden. «
» Darling, ich meine es ernst. Agnes… Brian… sie sind nicht gekommen. «
» Wie spät ist es überhaupt? « , fragte ich, ins Lampenlicht blinzelnd.
» Es ist fast sechs Uhr morgens. «
» Meine Güte, wir haben Silvester. Natürlich sind sie da nicht zu Hause. «
» Patrick, mein Lieber, versteh doch. Sie sind gar nicht erst auf die Party bei Lindsay gegangen. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dass ich Mary Lord Bishop angerufen habe– musste aus dem Bett geholt werden und so–, und sie sagte, sie hätte die beiden gar nicht gesehen. Oh Darling. Ich habe solche Angst. Das Auto war schuld. Es war ein Fehler, ihm das Auto zu schenken. Er fährt wie ein Wahnsinniger. «
Auf einmal wusste ich, was passiert war.
» Gott sei Dank ist Agnes bei ihm. Brian ist manchmal so närrisch, aber Agnes ist ein gutes, vernünftiges Mädchen. Wenn ihnen bloß nichts Schreckliches passiert ist. Und jetzt steh auf und hilf mir. «
Nacheinander rief Tante Mame alle Krankenhäuser New Yorks an, und mit jedem Mal wurde sie hektischer, während ich mürrisch versuchte, wach zu bleiben. Dann rief sie Lindsay Woolsey an, Mary Lord Bishop– ein zweites Mal an diesem Morgen– und die meisten ihrer Bekannten. Um acht Uhr hatte Tante Mame die Mediziner- und Literatenwelt New Yorks aus dem Bett gescheucht, um neun Uhr wusste sie nicht mehr weiter, da klingelte es an der Haustür.
Sie legte das Nachtjäckchen um, flog die Treppe hinunter und riss die Tür auf. Für einen Moment herrschte Stille, dann hörte ich sie kreischen: » Oh mein Gott! «
Ich lief die Treppe hinunter in die Eingangshalle, wo sie mit einem gelben Telegramm in der Hand stand. Ich nahm es ihr ab und las:
DAS FEUER IN MIR WAR ZU STARK STOPP
BRIAN UND ICH SIND DURCHGEBRANNT STOPP
UM VERSTÄNDNIS UND VERGEBUNG UND
IHREN SEGEN BITTET IHRE SIE LIEBENDE
AGNES GOOCH
Schweigend schritt Tante Mame die Treppe hoch, ich folgte ihr. Sie ging zu ihrem Schreibtisch und nahm das Manuskript von Buffalo Braut. Sie trug es zum Kamin und warf es auf den Feuerrost. Dann legte sie das Nachtjäckchen, das Agnes ihr genäht hatte, dazu. Die Flammen loderten hoch. Leicht fröstelnd stieg sie wieder ins Bett und wies mir den Polsterstuhl daneben an. Sie köpfte die letzte Flasche Champagner, goss zwei Gläser ein und reichte mir eins.
» Frohes neues Jahr, Darling « , sagte sie.
6. Kapitel
Tante Mame,
die barmherzige Schwester
D ie alte Jungfer
Weitere Kostenlose Bücher