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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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nahm. Die gefürchtete Einladung wurde eine Woche vorher von Junior überreicht.
    » Mein Vater hat geschrieben « , sagte Junior eines Morgens.
    » Ach ja? « , sagte ich und gähnte.
    » Er möchte, dass du am Vater-und-Sohn-Tag wieder sein Gast bist, da du ja keinen Vater hast. «
    Meine wahren Empfindungen konnte ich schlecht ausdrücken, deswegen antwortete ich: » Ja, gerne. «
    » Mummy kommt auch « , sagte Junior.
    » In Männerkleidung? « , fragte ich.
    » Nein, sie will mich besuchen. «
    Ich verstand nicht, warum.
    » Daddy sagt, du möchtest ihnen bitte Zimmer im Old Coolidge House reservieren. «
    Mir blieb das Herz stehen. » Im Old Coolidge House? « , hauchte ich. Mein Verstand arbeitete wie rasend. » Meine Güte, Junior, wozu die Geldverschwendung? Sie könnten doch auch bloß für einen Tag kommen und abends wieder nach Hause fahren. Du weißt doch, wie gerne dein Vater Geld spart. «
    » Nein « , sagte Junior, der wieder auf den Brief seines Vaters verwies. » Daddy schreibt, der Verwaltungsrat würde an dem Abend zusammenkommen, und dann wäre es zu spät, um noch nach Scarsdale zurückzufahren. Er schreibt, du sollst zwei Zimmer reservieren, und möglichst bald, bevor das Hotel ausgebucht ist… «
    » Meine Fresse, Junior « , sagte ich, » warum wollen sie unbedingt in so einer Absteige wie dem Coolidge House logieren? Warum nicht im Longfellow Inn oder bei Mrs. Abbot oder in Marbelhead oder vielleicht gleich in Boston im… «
    » Nein « , sagte Junior unerschütterlich, » Daddy will im Old Coolidge House wohnen. Ihm gefällt das Old Coolidge House. «
    » Warum? « , fauchte ich ihn an. » Hat er da mal eine Blondine vernascht? «
    » Wenn sich Daddy am Vater-und-Sohn-Tag schon deiner annimmt « , sagte Junior, » dann könntest du wenigstens… Sag mal, was ist eigentlich los mit dir in letzter Zeit? Immer bist du müde, beim Sport sehe ich dich auch nie, und unter den Augen hast du schreckliche Ringe. Machst du nachts irgendwas? «
    Ich schluckte. » Meine Güte, Junior… « Dann begriff ich, was er meinte. » Klar, natürlich mach’ ich’s, Junior. Sechs-, siebenmal die Nacht. Ich werd’ verrückt davon. Kein hübsches Mädchen will mich mehr heiraten, und meine Kinder werden alle Idioten. Das kannst du deinem alten Herrn von mir ausrichten, wenn du ihm das nächste Mal schreibst. « Ich schnappte mir mein Handtuch und marschierte in den Duschraum.
    Tante Mame hätte sich nicht kooperativer zeigen können, als sie hörte, dass die Babcocks am Vater-und-Sohn-Tag im selben Hotel übernachten würden. Da keine ihrer Begegnungen mit Mr. Babcock auch nur im Entferntesten als angenehm bezeichnet werden konnte, war sie geneigt, jedes weitere Zusammentreffen zu vermeiden, besonders unter den gegenwärtigen Umständen. Auf der Stelle fing sie an, Pläne für einen ausgedehnten Tagesausflug zu schmieden, der am Vater-und-Sohn-Tag morgens um sechs Uhr losgehen und erst spät nach Einbruch der Dunkelheit enden sollte. Sie schickte mich nach Boston, um mehrere Bahnen Schleierstoff, Klappstühle und einen Sonnenschirm zu kaufen. Sie bat Mr. Pugh, sie zu begleiten, doch da am Vater-und-Sohn-Tag Anwesenheitspflicht bestand, lehnte er ab. » Und falls es regnet « , verkündete Tante Mame theatralisch, » dann bleiben wir eben im Auto sitzen. Für dich, mein lieber Kleiner, ist mir kein Opfer zu groß. «
    Die arme Agnes war quengeliger als sonst. Ihr wurde regelmäßig übel beim Autofahren, sie hatte den Umfang einer Regentonne, und der Geburtshelfer in Boston hatte ihr gesagt, dass es jeden Augenblick so weit sein könnte… Tante Mame jedoch war fest entschlossen, den Babcocks jeden Anblick ihrer eigenen Person, ihres Autos und ihrer Entourage zu ersparen.
    Am Abend vor dem Vater-und-Sohn-Tag wurde für den Ausflug gepackt, und es herrschte wahrer Aufruhr in Tante Mames Suite. Sechsmal ließ sie sich mit der Küche verbinden, um sicherzustellen, dass die Picknickkörbe auch in aller Frühe fertig waren, und dreimal rief sie an der Rezeption an, das erste Mal, um auszurichten, sie möchte um sechs Uhr geweckt werden, dann um fünf und schließlich um halb fünf. Sogar Agnes erlaubte sie nur widerwillig, ihren Tagesmarsch von vier Meilen zu absolvieren, doch Agnes und Mr. Pugh wollten unbedingt, deswegen blieb ich da und kümmerte mich darum, dass die Bücher und Schallplatten, die Sonnencreme und Sonnenbrille und alle anderen für Tante Mames Ausflüge wichtigen Utensilien eingepackt wurden.

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