Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
herkamen. Das muss so fünfzehn, sechzehn rum gewesen sein. Eine Bildhübsche war sie, und kein Kind von Traurigkeit. «
Tante Mame murmelte eine unverbindliche, unfreundliche Bemerkung.
» Herr im Himmel, Miss Mame, was waren das für Zeiten, nicht? Aber wir werden ja alle nicht jünger, habe ich nicht Recht? Bestimmt haben Sie schon eigene Töchter, die heute auf die Studentenbälle gehen. «
Tante Mame schnappte laut nach Luft.
» Wo denken Sie hin, Casey « , antwortete ich rasch. » Beide Töchter von Mrs. Burnside sind längst verheiratet, haben sich in Akron, Ohio, niedergelassen und haben selbst auch schon wieder Töchter. Sie ist jetzt Großmutter, habe ich nicht Recht, Tante Mame? «
Bekümmert nickte sie.
» Was Sie nicht sagen « , gackelte der komische Kauz. » Tja– das hält die Welt in Schwung. Das Älterwerden kommt ganz von alleine. Na, dann kann ja das leichte Mädchen, das ich suche, nicht in demselben Zimmer sein wie ’ne Dame der feinen Gesellschaft, die selbst schon Enkel hat. Trotzdem, wenn Ihnen so ’n junges Ding über den Weg läuft, die Bubbles heißt, dann sagen Sie mir bitte Bescheid. Wissen Sie, es ist jedes Jahr das Gleiche– irgendein dummer Junge lässt sich mit einem dieser Nuttenflittchen ein, entschuldigen Sie den Ausdruck, Ma’am, und am Ende ist der Teufel los. Man sollte meinen, die Jungen wären klüger, mit ihrer Collegeausbildung und so. Na ja, ich wünsche Ihnen noch gute Besserung. Gute Nacht, Ma’am, war mir ein Vergnügen, Sie nach all den Jahren mal wiederzusehen. Da fühlt man sich gleich wieder jünger. « Er trottete davon.
Ich hatte nicht den Mut, Tante Mame anzublicken. Dumpf saß sie auf dem Sofa, klammerte sich an das leere Glas. Ich zog mich rasch an und sagte: » Komm, ich fahre dich nach Hause. «
» Zurück ins Hotel? «
» Ach so. Dann wohnst du also gar nicht bei den Townsends. «
» Nein « , sagte sie leise.
» Eigentlich wollte ich dich nach Hause fahren, nach New York. «
» Und meine Kleider? « , sagte sie lustlos.
» Die hole ich Montag ab. Ich muss sowieso einiges in der Stadt erledigen. «
Ich legte ihr das Cape um die Schultern und hielt ihr die Tür auf. Leise stiegen wir die Treppe hinunter.
Im grellen Licht der Vorhalle stand Bubbles– der kunstvoll zusammengeklebte Haarturm war steif abgeknickt, das schreiend rotgoldene Kleid hing zerknittert und zerrissen an ihr herab– neben der Ratte Remington, die nur in T-Shirt und Turnschuhen angetan war, umringt von der Truppe der Wachmänner.
» …dieser absolut fremde Kerl hat mich praktisch entführt hat der mich. Ehrlich, ich wusste nicht, wie mir geschah, der muss mir irgendeine Droge in mein Punsch geschüttet haben. Und eh ich mich verseh, bin ich in sein Zimmer, und er macht sich an mich ran macht er sich. Glauben Sie mir, ich bin nicht so eine. «
» Nun beruhigen Sie sich, junge Frau « , wiederholte Old Casey. » In den fünfzig Jahren, die ich hier nun arbeite, habe ich genügend von Ihrer Sorte gesehen. Und was Sie betrifft, Mister Remington, so hat der Dekan… «
» Wir verschwinden durch den Seiteneingang « , sagte ich kurz angebunden, nahm Tante Mames Arm und schritt aus. » Das ist näher. «
» Da ist er ja! « , schrie Bubbles. » Das ist der Gentleman, der mich hergebracht hat. Das ist er! Er heißt Dennis, Patrick Dennis. Pat, Honey, sag denen hier, dass du mich hergebracht hast. Honey, ich liebe dich. Tut mir leid, dass ich dich auf dem Ball so angerotzt habe. He, Baby, hörst du schlecht? «
» Jetzt halten Sie mal den Mund, Missy « , sagte Casey. » Sie wecken ja noch das ganze Heim auf. Was sollte schon so ein netter Junge wie Mister Dennis, hier mit seiner alten Tante, mit so einem Frischling wie Ihnen anfangen? «
» Honey! « , rief Bubbles. Die Tür hinter uns fiel ins Schloss.
» Also…! « , sagte Tante Mame, und ihre Augen funkelten boshaft. » Also…! «
» Du hältst deinen Mund. Ich halte meinen « , sagte ich leise.
Schweigend fuhren wir zurück nach New York.
8. Kapitel
Tante Mame
und meine geplatzte Verlobung
U nweigerlich kommt der Zeitpunkt im Leben der unvergesslichen Persönlichkeit, da verlässt der Findling die Schule, verliebt sich und heiratet. Was aber macht die alte Jungfer, die arme Frau? Natürlich war es ein heftiger Schmerz für sie, von dem Menschen, der ihr Ein und Alles war, fortgerissen zu werden, aber sie war ein tapferes kleines Frauchen. Wie immer dachte sie an sich selbst zuletzt, schluckte ihren Stolz
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