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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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man sich schämen musste für Tante Mame, ich war nur ein klein wenig in Sorge, was ihr erstes Zusammentreffen mit den Upsons betraf. In den Nachmittagsstunden vor ihrem Besuch probierte sie ein Kleid nach dem anderen an. » Und jetzt, Darling « , sagte sie, » sei bitte offen und ehrlich zu mir. Für mich ist diese Rolle als Mutter des Bräutigams auch neu, und ich möchte, dass du stolz auf mich bist. Ich will nicht schäbig aussehen, andererseits wäre es ein grober Fauxpas, sich allzu modisch zu kleiden. Was ist diese Upjohn für eine Frau? «
    » Upson « , verbesserte ich sie.
    » Upson. Gut. Was für Sachen trägt sie? «
    » Ach, Kleider eben « , sagte ich.
    » Dass sie nicht mit einem knappen Schürzchen aus Bananenschalen daherkommt, hätte ich mir fast gedacht. Darling, bitte, du weißt, was ich meine. Ist sie elegant? «
    » Einigermaßen « , sagte ich. » Ein bisschen verblasst. Sie hat nicht so eine gute Figur wie du. «
    » Nanu, Darling! « , gurrte sie vergnüglich. » Ich hatte mir überlegt, diesen Schiaparelli-Kattun zu tragen, aber der ist vom letzten Jahr, der geht also nicht. Dann hätten wir da noch diesen Schleierstoff, aber der ist eine Idee zu jungmädchenhaft für meine Rolle als Mutter. Ich könnte noch diesen weißen Crèpe tragen, nur wird einem darunter immer heiß im Schritt. «
    » Und bitte keine solchen Ausdrücke heute Abend! « , tobte ich.
    » Patrick– hast du auch nur für eine Sekunde geglaubt, ich, die ich mich durch drei Papstaudienzen und eine Einführung am englischen Hof gequält habe, wüsste mich nicht anständig zu benehmen? «
    » Entschuldige, aber die Upsons sind eben nicht unsereins. «
    » Also, da wäre noch dieses schwarze durchsichtige Gewebe. Mit Schwarz ist man immer auf der sicheren Seite. Das ist ja gerade das Problematische. Oder soll ich doch lieber die blaue Seide… «
    Um neun Uhr nahm Tante Mame, ganz in Beigetönen, mit einem vorteilhaften, dennoch gediegenen Hut und einem herrlichen Perlenhalsband behutsam Platz in meinem Auto, und wir fuhren zu den Upsons. » Ich fühle mich, als würde ich gleich einen Basar eröffnen « , wiederholte sie andauernd.
    Der Abend war kurz und ein voller Erfolg. Tante Mame saß sehr dekorativ auf einem Louis-XIV-Zweisitzer und redete über die Hitze, die Feuchtigkeit, dass sich das Klima in New York von Jahr zu Jahr verändere, wie hübsch Gloria sei, was für ein anständiger Junge ich sei und dass es ganz so aussähe, als werde Amerika in den Krieg eintreten.
    Ich bedachte sie mit einem Blick, den sie zutreffend als Warnung interpretierte: Bitte keine Politik, und sie sagte, wie schade es doch sei, dass wir jetzt, wo ganz Europa Krieg führe, unsere Hochzeitsreise nicht ins Ausland machen könnten.
    Mrs. Upson, fiel mir auf, taxierte Tante Mames Hut, Kleid und Schmuck mit einem beifälligen Seitenblick, und während Mrs. Upson das Zimmer verließ, um Fotos von Gloria als Baby zu holen, beobachtete ich Tante Mame dabei, wie sie mit den Augen den Park-Avenue-gemäßen, spießigen Salon überflog. Eine barock gerahmte Landschaft im Stil des 19 . Jahrhunderts belächelte sie, über ein Ölgemälde von Mrs. Upson, ausgeführt um 1927 , schüttelte sie leicht den Kopf, am Saum eines Lampenschirms spielte sie herum, und für die Tiffany-Uhr auf dem Kaminsims hatte sie nur ein müdes Kichern übrig. Ich räusperte mich vernehmlich. Sie zuckte zusammen und widmete dann ihre ganze gütige Aufmerksamkeit Mr. Upson, der gerade ausführte: » …ganz nett für einen Besuch, aber leben möchte ich dort nicht. Diese Franzosen erkennen einen Amerikaner sofort und rauben jeden bis aufs Hemd aus. Und was die Engländer betrifft, für diese Blässlinge würde ich keinen Finger krumm machen, wenn… «
    Tante Mame, eine fanatische Frankoanglophile, übte sich in bewundernswerter Zurückhaltung. Den ganzen Abend über bediente sie sich der Stimme der » gnädigen Frau « und geriet– wenn auch nur leicht– erst nach dem dritten Highball ins Schwanken. Sie zügelte ihr Mundwerk bemerkenswert, entspannte sich gerade so, dass es für einige witzige und behutsam zensierte Anekdoten reichte, und drängte den Upsons eine herzliche Einladung zu einem Diner mit ihr am Wochenende in ihrem Haus am Washington Square auf.
    » Oje, dann sind wir mitten am Packen für den Umzug aufs Land « , jammerte Mrs. Upson, hin- und hergerissen zwischen ihrer Pflicht einerseits und der Gelegenheit, wohl eines der berühmtesten Häuser New Yorks zu

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