Darling
setzte den Hund auf den Fußboden und verschwand mit dem Foto im Wohnzimmer.
Edith blickte sich im Flur um. Das Haus von Anneliese Schulz war absolut identisch geschnitten wie das von Karl Blum. Der gleiche Flur, die gleiche Treppe. Sicher auch die gleiche Gästetoilette hinter der Eingangstür rechts. Alles wirkte sauber und adrett.
„Möchten Sie etwas trinken?“, rief die Nachbarin aus dem Wohnzimmer in den Flur.
„Danke, ich habe noch einen Termin“, winkte Edith Tannhäuser freundlich, aber bestimmt ab.
Anneliese Schulz kehrte zurück und gab ihr das Foto von Adrian Baumann zurück.
„Tut mir leid. Ich bin mir nicht sicher, ob das der junge Mann gewesen ist“, entschuldigte sie sich. Kummer lag in ihrer Stimme. „Ich hab den Mann ja nur von hinten gesehen, als er zum Taxi ging. Jeans, Lederjacke, dunkle Haare … so sehen in Frankfurt doch viele junge Männer aus, oder?“
„Da haben Sie recht. Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe“, entschuldigte sich Edith Tannhäuser. „Aber wir werden den Mörder von Karl Blum finden. Das verspreche ich Ihnen.“
Anneliese Schulz stand hilflos im Flur und schaute betreten auf ihren Hund. „Das hat Karl wirklich nicht verdient. Haben Sie heute die BILD gelesen? Furchtbar … Und was diese Journalisten alles von mir wissen wollten! Der arme Mann, der hatte so eine Last mit der Pflege seiner schrecklich verwirrten Mutter. Das ist alles furchtbar, einfach nur furchtbar, dass er so grausam sterben musste.“
Edith nickte verständnisvoll.
„Ich stelle es mir nicht leicht vor, wenn ein Mann in seinem Alter über Jahre hinweg seine inkontinente Mutter pflegt …“
„Inkontinent?“ Anneliese Schulz war verblüfft. „Wer erzählt denn so was? Sicher die Klein von gegenüber! Die redet den ganzen Tag dummes Zeug, wenn sie nicht die Abfalltonnen kontrolliert, ob man den Müll auch wirklich ordentlich getrennt hat. Aber das geht jetzt echt zu weit!“
Anneliese Schulz war zutiefst empört.
„Karls Mutter hatte Alzheimer. Die wusste oft nicht, wer sie war und wo sie war, wenn sie hier durch die Kuhwaldsiedlung gegeistert ist. Das war manchmal sehr peinlich für Karl … Die ist ja mal nur im Nachthemd mit Pantoffeln einholen gegangen. Da war was los bei Tengelmann! Deshalb ist Karl ja auf Nachtschichten umgestiegen, dann hatte er seine Mutter tagsüber unter Kontrolle. Aber inkontinent? Nee, das stimmt überhaupt nicht.“
Anneliese Schulz schüttelte angeekelt ihren Kopf.
„Ähm, wir haben …“
Edith Tannhäuser stockte. Sollte sie der Nachbarin sagen, dass die Kripo im Schlafzimmer des ermordeten Taxifahrers ein angebrochenes Windelpaket für Erwachsene gefunden hatte?
„Sagen Sie, haben Sie noch den Ersatzschlüssel für das Haus von Karl Blum?“
Anneliese Schulz nickte.
„Die Polizei hat aber die Tür versiegelt“, stellte sie staatstragend fest.
„Frau Schulz, ich bin die Polizei.“
Ediths Stimme duldete keinen Widerspruch.
Dienstbeflissen huschte die Nachbarin vor dem wild kläffenden Zwergpudel durch den Flur in die Küche und kehrte umgehend mit einem Schlüsselbund zurück. Die Kommissarin war überzeugt, etwas Entscheidendes am Tatort übersehen zu haben. Aber was?
Als sie auf ihre Armbanduhr schaute, war es halb neun. Wenn sie Alexander Paul jetzt noch einen Besuch abstatten wollte, würde sie erst auf dem Rückweg ausreichend Zeit haben, um das Haus von Karl Blum ein zweites Mal zu inspizieren.
„Sie bekommen den Schlüssel zurück, Frau Schulz. Und vielen Dank nochmals für Ihre Hilfe“, tröstete Edith die verloren im Flur stehenden Frau.
55
Clara blickte Adrian erwartungsvoll an. „Wenn ich mich umgezogen habe, fahren wir zum Venusberg. Kennen Sie die Bar in der Uhlandstraße?“
Adrian nickte.
„Ich habe vor Kurzem einen Gast zur ,Dress As You Like!’Party gefahren. Sammelt der Inhaber nicht so ’ne Art erotischen Nippes im Kellergewölbe?“
„Die Lesungen dort sind Kult“, lachte Clara. „Ich habe eine Verabredung mit Frau Dr. Brückner. Und danach können wir in der Sansibar etwas trinken? Natürlich nur wenn Sie möchten.“
„Wer ist Frau Dr. Brückner?“, fragte er.
„So etwas wie das … Schnittstellenmanagement der DarlingProduktion. Oder glauben Sie, man könnte ohne staatliche … ähm … Expertin einfach so eine Location wie das Niederräder Klärwerk mieten? Ich meine, was glauben Sie, was passiert, wenn ich beim Stadtentwässerungsamt anrufe und frage, ob die mir das Gewölbe für ein
Weitere Kostenlose Bücher