Darling
verließ, herrschte tiefe Stille auf dem Flur. Was mochte Clara hier um diese Zeit besprechen? Wo war sie?
Adrian drückte vorsichtig eine Klinke rechts von ihm hinunter. Geräuschlos schwang eine große Flügeltür auf und gab den Blick auf eine riesengroße Fensterfront frei. Erneut stockte ihm der Atem. Vor ihm lag Frankfurt, das ganze Panorama vom Flughafen über Sachsenhausen bis nach Offenbach.
„Schön, nicht wahr?“
Claras Stimme ließ Adrian zusammenschrecken. Ruckartig drehte er sich zu ihr um.
„Tut mir leid, ich …“
„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Wir haben Sie ja warten lassen.“
Clara lächelte. Dann trat sie direkt hinter ihn. Er spürte ihren Atem in seinem Nacken.
„Was denken Sie jetzt?“
Adrian zuckte mit den Achseln.
„Was machen Sie hier?“, fragte er.
„Geschäfte“, antwortete sie kühl.
Adrian spürte, dass er die falsche Frage gestellt hatte.
„Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber …“ Er stockte. Dann sagte sie leise:
„Frankfurt ist wunderschön, finden Sie nicht?“
Adrian nickte. Jeder Widerspruch wäre in Anbetracht des wahnsinnigen Panoramas völlig daneben. Dann drehte er sich zu Clara um.
„Wo ist Frau Dr. Brückner?“ Clara sah zur Tür.
„Sie muss noch telefonieren. Dann bringt sie uns wieder nach unten.“
Adrian musterte Clara, die nur wenige Zentimeter vor ihm stand und doch unendlich weit entfernt schien.
„Wie kommt man zu so einem …“
„… Job?“, beendete Clara seinen Satz. Sie holte tief Luft. „Sie müssen nicht die Psychologie bemühen. Ich hatte weder eine kaputte Kindheit noch wurde ich missbraucht. Meine Eltern waren vielleicht etwas kühl im Umgang miteinander, aber was erwarten Sie von jemandem, der während des Nationalsozialismus in der Hitlerjugend aufgewachsen ist. Eine Tracht Prügel als erzieherische Maßnahme war in den sechziger Jahren durchaus üblich. Was möchten Sie hören? Irgendein größeres Drama in meinem Leben? Da muss ich Sie enttäuschen.“
Ein Anflug von Sarkasmus färbte Claras Stimme. Dann schüttelte sie energisch den Kopf.
„Ich bin zu nichts gezwungen worden. Es ging mir immer nur ums Geld …“
Adrian senkte den Blick.
„Ich würde Sie gerne … Ich würde Ihnen gerne …“
„ … helfen? Mich aus dem Milieu retten?“ Clara lachte.
„Eine hübsche Männerfantasie, aber leider völlig realitätsfern. Ich bin kein Häschen und auch nicht blond oder blöd. Ich interpretiere Alice Schwarzer vielleicht anders, als es sich diese verknöcherte Feministin gewünscht hätte, aber ich bin eine Frau, die weiß, was sie will, und es sich auch nimmt.“
Clara zwinkerte verschwörerisch mit den Augen.
„Sie machen es mir verdammt schwer, Sie zu mögen.“ Adrian spürte einen Anflug von Trotz.
„Ach kommen Sie, bitte keinen Liebesquatsch … Auch wenn der Ausblick hier oben einen leicht sentimental werden lässt und wir beide ziemlich … sagen wir spannende und interessante Tage miteinander verbracht haben.“ Clara stockte. Dann fuhr sie ungerührt fort. „Sie sind fast zwanzig Jahre jünger als ich. Was soll das werden? Sie suchen doch keine Frau, die Sie bemuttert, oder? Und ich schätze Männer, die mit mir auf Augenhöhe verkehren.“
„Und warum wollten Sie mich gestern noch … kaufen?“ Sie schüttelte energisch den Kopf.
„Nicht kaufen …. Sie sollen mit mir spielen. Im Video sind die Grenzen des realen Lebens aufgehoben. Ich habe Ihnen doch schon mal gesagt, dass es da um Macht, Unterwerfung und einfach nur Sex geht. Das müssen Sie von Ihrem realen Leben trennen. Das ist etwas ganz anderes. Ich bleibe bei der Begegnung auf Augenhöhe. Und meine damit nicht Ihre Körpergröße, die ja in unserem Fall sogar gegeben wäre, sondern Ihre Lebenserfahrung. Ich habe Ihnen zu viele Erfahrungen voraus. Das wäre für Ihre persönliche Entwicklung nicht wirklich förderlich“, stellte Clara abwehrend fest.
„Vielleicht sagen Sie das nur so apodiktisch, weil Sie die Kontrolle über die Beziehung behalten wollen?“
Adrian sah Clara provozierend an. Sie biss sich auf die Lippen und starrte aus dem Fenster.
„Da haben Sie vermutlich recht.“
„Hören Sie, man kann Gefühle nicht theoretisch ausdiskutieren. Entweder sind sie da oder nicht. Und dann spielen Alter und Erfahrung keine Rolle. Das ist meine Meinung“, trumpfte Adrian auf.
Clara lachte trocken auf.
„Gefühle … hören Sie, wohin soll das führen? Der Anfang ist immer rosarot. Aber der Alltag, der
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