Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
wenige Areale betreten, niemand ohne zugeordneten Naturführer, der Großteil der Inselflächen bleibt unberührt. Die größte Gefahr entsteht jenseits der schwimmenden Luxusherbergen. Täglich legen Frachtschiffe an, landen Transportflugzeuge, um Versorgungsgüter zu liefern. Die Menschen auf Galápagos könnten ohne Importe nicht existieren. Ich möchte denken, es wäre schwierig, in tropischen Breiten ein Stück Land … zu finden, das so vollständig unbrauchbar ist für den Menschen und größere Tiere.
Der Tourismus spült Geld auf die Inseln, im Jahr 2006 geschätzte vierhundert Millionen Dollar. Und wo Geld winkt, da sammeln sich Leute. Die Gehälter liegen hier doppelt so hoch wie auf dem ecuadorianischen Festland. Die Einwohnerzahl des Archipels ist in fünfzig Jahren von harmlosen zweitausend auf über dreißigtausend emporgeschnellt. Zu Darwins Zeit sind es zwei- bis dreihundert.
Abwässer werden ungeklärt ins Meer geleitet, Weideflächen ausgedehnt, Haustiere verwildern, Ziegen sind zur Plage geworden, Fischer bedrohen Forscher wegen naturschutzbedingter Fangquoten. Die UNESCO hat die Inselgruppe auf die Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt. Bei gleichbleibender Wachstumsrate würde die Touristenzahl von jetzt hundertvierzigtausend in nur fünfzehn Jahren auf
vierhunderttausend anwachsen. Mit jeder Anlandung drohen fremde Arten einzuwandern. Eingeschleppte Chinarindenbäume überwuchern bereits die Brutplätze der Hakensturmtaucher.
Der Direktor der Charles-Darwin-Station, Graham Watkins, sieht den roten Bereich bedrohlich näher rücken. Ein welterfahrener Ökomanager, der nicht mit der Kröte kommt, sondern mit dem Ganzen und Skeptiker am eigenen Kragen packt. Auch unter den touristischen Zielen gehe es ums Überleben des Tüchtigsten, hier insbesondere um den Erhalt der Marke Galápagos. »Galápagos ist ein äußerst gefährdetes Produkt auf einem sehr beweglichen Markt.« Auch wenn oberflächlich noch alles in Ordnung wirkt, sind die zersetzenden Kräfte längst am Werk. Wenn sie dann sichtbar werden, ist es oft zu spät. Das typische Schicksal solcher speziellen Touristenziele ist in Lehrbüchern nachzulesen.
Der Biologe hat in den Achtzigerjahren selbst auf Galápagos als Touristenführer gearbeitet. Die Bedrohung der einzigartigen Inselwelt betrachtet er als so überwältigend, dass er als mindeste Sofortmaßnahme fordert, die Besucherzahl einzufrieren und keine größeren Kreuzfahrtschiffe mehr zuzulassen. Damit macht sich der Störenfried bei den örtlichen Geschäftsleuten und Touranbietern nicht gerade beliebt. Für sie hat das große Geldverdienen gerade erst begonnen. Deshalb hat er in seiner Not sogar vorgeschlagen, den Besuch der Inseln mit 2000 statt heute etwa 500 Dollar pro Tag und Person in einem noch viel höheren Preissegment zu platzieren. Damit könnten die Gewinne steigen, ohne die Belastung durch Menschen zu erhöhen.
HOMO TOURISTICUS auf der kleinen Beagle macht sich sein Zerstörungspotenzial in der Regel nicht bewusst. Er will Rochen sehen, Galápagos-Pinguine und Pazifische Suppenschildkröten, den Liebestanz der Albatrosse und die aufgeblähten roten Kehlsäcke der Fregattvogelmännchen. Ansonsten hält er sich an die Regeln, wirft möglichst nichts über Bord und wäscht nach jedem Landgang artig seine Schuhsohlen ab, um nicht Organismen von einer Insel auf die andere zu tragen. Zwischendrin hört er sich Vorträge über Wale oder Seelöwen an, und abends gibt es lauschige Kerzenlichtdinner an Deck. Die stille Nacht zwischen den beleuchteten kleinen und großen Schiffen in der Bucht von Puerto Ayora bleibt für alle unvergesslich.
Wer ahnt schon, dass selbst diese harmlose Gemütlichkeit Gefahren
für das Traumziel birgt? Der Insektenforscher Lázaro Roque von der Darwin-Station hat gegen Widerstände der Schiffsbetreiber eine Untersuchung durchgesetzt, um den Einfluss der Kreuzfahrtindustrie auf die heimische Fauna zu ermitteln. Seine Ergebnisse sind alarmierend. Die Schiffslampen locken massenhaft Insekten an, die dann von Insel zu Insel transportiert werden. Und nicht nur das. Jedes Schiff bringt fliegende Einwanderer von anderen Orten mit, die sich ohne natürliche Feinde ausbreiten und die einmalige Tierwelt bedrohen. Spezialglühbirnen könnten ein Stück weit Abhilfe schaffen.
Auch wenn die Insekten selbst meist harmlos bleiben, können sie als Transporteure von Erregern gefährlich werden. Täglich wird mit der Invasion des West Nile Virus durch
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