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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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unberührte, menschenleere Landschaften zu reiten, über grasbedeckte Hügel, über Dünen und Strände, durch Lagunen, Wasserlachen und Waldstückchen, mal im gemächlichen Gang, dann wieder im gestreckten Galopp - so schrankenlos wie in der Alten Welt undenkbar. Es liegt ein großer Genuss in der Unabhängigkeit des Gaucho-Lebens, in jedem Moment dein Pferd anhalten zu können und zu sagen, hier werden wir die Nacht verbringen. Die Totenstille der Ebene, die Hunde auf Wache, die zigeunerhafte Gruppe der Gauchos, wie sie ihre Betten um das Feuer machen, hat ein deutlich markiertes Bild in meiner Erinnerung hinterlassen … , das nicht so bald in Vergessenheit geraten wird .
    Das Nächtigen draußen am Feuer, sagt Marcello, solle ich mir aus
dem Kopf schlagen. Die Yararaca, eine der giftigsten Schlangen Amerikas, sei in dieser Jahreszeit besonders aggressiv. Selbst Pferde oder Kühe fielen der Lanzenotter regelmäßig zum Opfer. Und als hätte es einer Demonstration bedurft, stoppt sein Freund Bruno, der Sohn vom Besitzer des Landes, plötzlich sein Pferd aus vollem Lauf, sodass es schnaubend die Vorderläufe in den Boden rammt - der reine verlängerte Wille seines Herrn. Der nutzt den Schwung und gleitet vom Sattel, der hier, dem Indianerstil verwandt, nur aus einem fest verzurrten Schaffell besteht. Es hat den Anschein, als biete der Gaucho niemals Muskelkraft auf. Er läuft ein paar Meter zwischen die Büschel des Pampasgrases, dann schlägt er mit seiner kurzen Lederpeitsche zu, als müsse er sein Land züchtigen, Schlag um Schlag, bis vor ihm reglos eine gefleckte BOTHROPS JARARACA liegt.
    Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir seine Hütte, den Puesto el Jabalí oder »Wildschweinposten«. Das Gehöft lag in der Nähe eines ausgedehnten, aber flachen Sees, auf dem es von Wildvögeln nur so wimmelte, wobei der Schwarzhalsschwan besonders auffiel . Wir sehen Flamingos, Chimangos (falkenartige Raubvögel, die von den Spitzen der Ombu-Bäume Ausschau halten) und immer wieder Nandus, die hiesigen, den Straußen verwandten Laufvögel, denen die »Pampa de los Avestruces« ihren Namen verdankt.
    Die Hunde melden Besuch. Abends kam ein domidor (ein Pferdezähmer), um einige Hengstfohlen zuzureiten. Es ist Nicolas, der jüngere Bruder von Vanessa. Er geht zur Koppel, klettert über den Bretterzaun und nähert sich den nervösen Jungpferden. Das Lasso fliegt, ein Hals steckt in der Schlinge, das ungestüme Tier wird auf den Hof geführt, sträubt sich gegen Satteldecke und Zaumzeug, der Reiter schwingt sich auf den Rücken - und das Pferd bäumt sich auf.
    Szenen wie auf einem Rodeo, Zügel gegen Wildheit, Wille gegen Wille, das Pferd kämpft um die Freiheit, der Zureiter um die Macht, er hält sich auf dem Schleudersitz, pariert alle Zuckungen und Sprünge, als könne er sie vorhersehen, bis der Widerstand allmählich schwächer wird und schließlich bricht. Die Gauchos sind weithin als perfekte Reiter bekannt. Die Vorstellung, abgeworfen zu werden, das Pferd tun zu lassen, was es will, kommt ihnen gar nicht in den Sinn.
    Schweißnass und mit weit aufgerissenen Augen lässt sich das Jungpferd in die Koppel zurückführen. Ich würde sagen, dass eine solche Leistung,
außer für einen Gaucho, absolut undurchführbar ist . Bevor sich die Erinnerung an die Macht des Menschen verliert, wird er wiederkommen und das Ringen wiederholen, bis das Tier ihn als Herrscher akzeptiert. Dieser Prozess ist ungeheuer hart, doch nach zwei bis drei Durchgängen ist das Pferd gezähmt .
    Ein Feuer wird entfacht, ein Schaf gepackt. Der »facón«, das scharfe Gaucho-Messer, fährt ihm in den Hals. Sein Blut sickert in die Erde. Ein Tier zu töten und zu häuten macht keine großen Probleme. Wenige Minuten später hängt sein Fell neben anderen über einem Draht, und die besten Fleischstücke dampfen auf den Asadospießen an der Glut. Anderntags werden die Männer junge Schafböcke kastrieren, sich zu zweit ein Tier greifen, einer hält fest, der andere schneidet die Hoden ab, glatt weg mit dem rasiermesserscharfen Facón, ein Schlag Vaseline auf die Wunde, weiter geht’s. Auf die Hoden freuen sich schon die Hunde. Die alte Seele dieses Landes besteht aus Fleisch und Blut.
    Die Gauchos sind überzeugt, dass Vegetarier Lügner seien, weil man ohne Gebratenes nicht überleben könne. Die Frage nach einer Tomate ruft Achselzucken hervor. Erst als wir spät am Abend in der Wohnküche sitzen und Holz im kleinen Ofen lodert, wird aufgetischt.

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