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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ergoß sich hinab in einen Schlund, der sich selbst in eine Wirbelsäule aus Khimmerndem Silber umgestaltete. Das Gesicht war nicht mehr menschlich, ja nicht einmal mehr säugetierhaft. Zu einem Fächer aus Messern war es geworden, seine Klingen glitzerten im Kerzenlicht, das durch die Tür einfiel. Und selbst als dies bizarre Schaustück zu festem Spuk gerann, begann es sich wieder zu verändern: Die Messer schmolzen, wurden dunkler, Pelz sproß hervor, Augen schienen auf und schwollen zu Ballongröße. Fühler schnellten von diesem neuen Kopf, Kieferwerkzeuge wurden strangartig herausgepreßt aus der breiig-flüssigen Gallerte der Verwandlung, und der Kopf einer Biene, riesig und perfekt nachgebildet, saß nunmehr auf Voights Hab.
    Burgess fand offenkundiges Vergnügen an der Darbietung; er applaudierte mit behandschuhten Händen.
    »Beide von der Gattung Familiaris, dienstbare Geister«, sagte er und verwies mit einer Geste auf den Chauffeur, der die Mütze abgenommen hatte und einen Schwall kastanienbraunen Haars auf seine - ihre Schultern fallen ließ. Eine hinreißende Schönheit, ein Gesicht, für das man sein Leben hingab. Aber pures Blendwerk, wie das andre auch. Zweifellos fähig, unendlich viele Gestalten anzunehmen,
    »Natürlich gehören die beiden mir«, sagte Burgess stolz.
    »Was?« Mehr brachte Cameron nicht zustande; blieb nur zu hoffen, daß es trotzdem all die Fragen transportierte, die ihm durch den Kopf gingen.
    »Ich diene der Hölle, Mr. Cameron. Und die Hölle ihrerseits dient mir.«
    »Die Hölle?«
    »Hinter Ihnen einer der Eingänge zum Neunten Kreis. Sie kennen Ihren Dante, nehm’ ich an?«
    Sieh Dis*; und sieh dir an den Ort,
    Wo’s nötig ist, mit Kraft sich zu versehen.«
    »Weshalb sind Sie hier?«
    »Um dieses Rennen zu laufen. Oder vielmehr, mein dritter Familiaris läuft ja bereits das Rennen. Niemand wird ihn schlagen diesmal.
    Diesmal ist es eine Veranstaltung der Hölle, Mr. Cameron, und niemand wird uns um den Siegespreis betrügen.«
    * Andere Bezeichnung für Orcus oder Pluto, den römischen Gott der Unterwelt, in der Divina Commedia die Entsprechung für Luzifer. Dante, Inferno, XXXIV. Gesang, dtv-Ausg., S. 151 (Anm. d. Übers.)
    »Der Hölle«, sagte Cameron wieder.
    »Sie sind gläubig, nicht? Sie sind ein eifriger Kirchgänger. Beten immer vorm Essen, wie jede gottesfürchtige Seele. Haben Angst, Sie könnten ersticken bei Ihrer Mahlzeit.«
    »Woher wissen Sie, daß ich bete?«
    »Ihre Frau hat’s mir erzählt. Oh, Ihre Frau war sehr aufschlußreich, was Sie betrifft, Mr. Cameron, sie hat sich mir regelrecht eröffnet.
    Sehr entgegenkommend. Eine eingefleischte Analistin, nach meinen Artigkeiten. Sie gab mir so viel… Information. Sie sollen ein aufrechter Sozialist sein, wie Ihr Vater.«
    »Na ja, also Politik -«
    »Oh, Politik ist der ruhende Pol vom Ganzen, Mr. Cameron. Ohne Politik gehen wir unter in wüster Verwilderung, finden Sie nicht?
    Selbst die Hölle braucht Ordnung. Neun große Kreise: eine Hackordnung der Strafmethoden. Schauen Sie runter; sehen Sie selbst.«
    Cameron konnte das Loch in seinem Rücken spüren. Er brauchte gar nicht erst hinzusehen.
    »Wir vertreten Ordnung, wissen Sie. Nicht Chaos. Das ist nur himmlische Propaganda. Und wissen Sie, was wir gewinnen werden?«
    »Es ist ein Wohltätigkeits-Rennen.«
    »Wohltätigkeit am allerwenigsten. Wir laufen dieses Rennen nicht, um die Welt vorm Krebs zu retten. Wir laufen es um der Herrschaft willen.«
    Cameron erfaßte halbwegs den springenden Punkt.
    »Herrschaft«, sagte er.
    »Einmal pro Jahrhundert wird dieses Rennen gelaufen, von St. Paul’s bis zum Parlament. Oft ist es zu nachtschlafender Zeit gelaufen worden, sang- und klanglos, praktisch unbemerkt. Heute wird es am hellichten Tag gelaufen, von Tausenden mit angesehen. Aber, unabhängig von den äußeren Umständen, es ist immer dasselbe Rennen.
    Eure Athleten gegen einen von den unsern. Wenn ihr gewinnt, weitere hundert Jahre Demokratie. Wenn wir gewinnen… und das werden wir… das Ende der Welt, wie ihr sie kennt.«
    Cameron spürte ein Vibrieren im Rücken. Burgess’ Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert; seine Zuversicht war jetzt getrübt, die Selbstgefälligkeit wurde unvermittelt durch eine nervöse Fieber-haftigkeit verdrängt.
    »Also, äh«, sagte er, und seine Hände flatterten wie Vögel, »es scheint, daß wir Besuch von höheren Mächten bekommen. Wie schmeichelhaft.«
    Cameron wandte sich um und spähte über

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