Das 1. Buch Des Blutes - 1
Nachmittag getan hatte.
Wozu den Leuten schlaflose Nächte bereiten, sie über eine derart absonderliche Begabung nachdenken lassen.
Die Polizei war ausgesprochen zuvorkommend. Sie stellten mehrere Theorien über das plötzliche Hinscheiden von Dr. Blandish auf, von denen freilich keine so recht darlegte, wie es denn zu dieser ungewöhnlichen, eruptiven Ausformung seines Thorax gekommen war, der aus den Brustmuskeln zwei ansehnliche (wenn auch behaarte) Wölbungen gebildet hatte.
Man ging von der Annahme aus, daß irgendein unbekannter Psychotiker, bärenstark in seinem Irrsinn, eingebrochen war, die Tat mit Hand, Hammer und Säge verübt hatte, um wieder abzutreten und die unschuldige Jacqueline Ess in ein entsetztes Stillschweigen einzuschließen, das zu durchdringen keine Vernehmung sich erhoffen durfte.
Eine unbekannte Person, respektive Personen, hatte den Arzt offenkundig dorthin befördert, wo ihm weder Beruhigungsmittel noch Therapie helfen konnten.
Eine Zeitlang vergaß sie es fast. Aber im Verlauf der Monate fiel es ihr wieder ein, so nach und nach, wie die Erinnerung an einen heimlichen Ehebrach. Es reizte sie mit seinen verbotenen Wonnen.
Sie vergaß den Ekel und gedachte der Macht. Sie vergaß die Sudelei und gedachte der Stärke. Sie vergaß das Schuldgefühl, das sie hinterher befallen hatte, und sehnte, sehnte sich danach, es abermals zu tun.
Nur besser.
»Jacqueline.«
Gibt es das, dachte sie, redet mich da mein Mann tatsächlich mit meinem vollen Namen an? Normalerweise war es Jackie oderj oder gar nichts.
»Jacqueline.«
Er sah sie an mit diesen großen blauen Babyglupschern, wied College-Boy, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt hatte. J
sein Mund war jetzt härter, und seine Küsse schmeckten nach altl kenem Brot.
»Jacqueline.«
»Ja.«
»Ich hätte gern mit dir über was gesprochen.«
Eine Unterhaltung? dachte sie, heute muß wohl ein Feiertag sein.
»Ich weiß nicht, wie ich’s dir sagen soll.«
»Probier’s aus an mir«, schlug sie vor.
Sie wußte, daß sie seine Zunge ins Sprechen hineindenken konnte, wenn es ihr Spaß machte. Ihn dazu bringen konnte, ihr zu sagen, wo sie gern hörte. Verliebte Worte, vielleicht, wenn sie sich erinnern könnte, wie sie klangen. Aber was hätte das gebracht? Lieber die Wahrheit.
»Schatz, ich bin ein bißchen aus der Bahn geraten.«
»Was meinst du damit?« sagte sie.
So so, du Dreckskerl, dachte sie.
»Es war in der Zeit, in der du nicht ganz du selber warst. Weißt schon, als zwischen uns praktisch nichts mehr lief. Getrennte Zimmer… du wolltest getrennte Zimmer… und ich bin einfach durchgedreht vor Frust. Ich wollte dich nicht durcheinanderbringen, also hab’ ich kein Wort gesagt. Aber es ist zwecklos, wenn ich versuch’, zwei Leben z«
leben.«
»Von mir aus kannst du ruhig eine Affäre haben, Ben.«
»Es ist keine Affäre, Jackie. Ich liebe sie…«
Er bereitete eine seiner Reden vor, sie konnte sie hinter seinen Zähnen in Schwung kommen sehen. Die Rechtfertigungen, die zu Anklagen wurden, diese Ausflüchte, die immer in Angriffe auf ihren Charakter umschlugen. Wenn er einmal richtig in Fahrt gekommen war, war er nicht mehr zu bremsen. Sie wollte nichts hören.
»… sie ist ganz anders als du, Jackie. Sie hat was Frivoles. Du würd’st sie wahrscheinlich oberflächlich nennen.«
Es würde sich eventuell lohnen, hier zu unterbrechen, dachte sie, bevor er sich in seinen üblichen Schlingen verfängt.
»Sie ist nicht so von Stimmungen abhängig wie du. Weißt du, sie ist bloß eine normale Frau. Damit will ich nicht sagen, daß du nicht normal bist. Für deine Depressionen kannst du ja nichts. Aber sie ist nicht so überempfindlich.«
»Es besteht kein Anlaß, Ben…«
»Doch, verdammt, ich will das jetzt alles runter haben von der Seele.«
Auf mich drauf, dachte sie.
»Nie läßt du zu, daß ich mich rechtfertige«, sagte er jetzt. »Immer wirfst du mir einen von diesen verdammten Blicken zu, um mir auf die Tour irgendwie anzudeuten…«
Stirb.
»…irgendwie anzudeuten: Halt die Klappe.«
Halt die Klappe.
»Wie’s in mir ausschaut, ist dir völlig egal!« Er brüllte jetzt. »Drehst dich immer nur um dich selber.«
Halt die Klappe, dachte sie.
Sein Mund war offen. Geschlossen war er ihr anscheinend lieber, und mit dem Gedanken schnappten seine Kiefer zusammen und trennten ihm dabei akkurat die rosa Zungenspitze ab. Sie fiel ihm zwischen den Lippen heraus und blieb in einer Falte seines Hemds
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