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Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Statue der Heiligen Jungfrau.
    »Alles was du willst«, sagte er, »Jacqueline.«
    Als der Drang, ihn zu töten, aufkeimte, spürte sie in ihrem Bauch etwas wie Schmerz, aber sie widerstand ihm. Das hieße ja, ihm in die Hände zu arbeiten, Werkzeug seines Willens zu werden: machtlos.
    Und liefe wieder aufs Benutztwerden hinaus; einzig und allein dafür war sie stets gut gewesen. Wie eine Kuh hatte man sie gezüchtet, um ein bestimmtes Produkt zu liefern: die Sorge für Gatten, die Milch für Babies, den Tod für alte Männer. Und wie von einer Kuh erwartete man von ihr, daß sie jeder an sie gestellten Forderung bereitwillig entsprach, egal wann der Ruf erging. Schön, aber diesmal nicht.
    Sie ging zur Tür.
    »Wo willst du hin?«
    Sie langte nach dem Schlüssel. »Dein Tod ist ganz allein deine Sache, nicht meine«, sagte sie.
    Er rannte auf sie los, ehe sie noch die Tür aufsperren konnte, und der Schlag - brutal, bösartig, wie er war - kam völlig unerwartet.
    »Luder!« kreischte er, und ein Hagel von Schlägen schloß sich rasch dem ersten an.
    In ihrer Magengegend wurde das Wesen, das töten wollte, ein bißchen größer.
    Mit gespreizten Fingern fuhr er ihr in die Haare und riß sie daran ins Zimmer zurück, überschüttete sie dabei lauthals, wie aus der geöffneten Schleuse einer randvollen Kloake, mit einem nicht enden wollen-den Schwall von Obszönitäten. Damit versuchte er jetzt nur auf andere Weise zu erreichen, was er wollte, sagte sie sich; wenn du dem nachgibst, hast du verloren. Er manipuliert dich nur. Noch immer kamen die Worte, die gleichen Schmutzworte, mit denen man schon Generationen nicht gefügiger Frauen beworfen hatte. Hure. Hexe.
    Fotze. Luder. Monstrum.
    Ja, das war sie.
    Ja, dachte sie: Monstrum stimmt.
    Der Gedanke machte es ihr leicht. Sie drehte sich um. Noch ehe sie ihn ansah, wußte er bereits, was sie vorhatte. Er ließ die Hände von ihrem Kopf heruntergleiten. Ihre Wut saß ihr schon in der Kehle, drängte aus ihr heraus - durchquerte die Luft zwischen ihnen.
    Monstrum nennt er mich. Monstrum stimmt.
    Ich tu’ das für mich, nicht für ihn. Für ihn niemals. Für mich!
    Er schnappte nach Luft, als ihr Wille ihn berührte, und einen Augenblick lang hörten die glitzernden Augen auf zu glitzern, der Todeswille wurde, freilich längst zu spät, zum Überlebenswillen, und er brüllte.
    Sie hörte, wie man draußen auf der Treppe mit Rufen, Schritten, Drohungen reagierte. In wenigen Sekunden wären sie im Zimmer.
    »Ein Tier bist du«, sagte sie.
    »Nein«, sagte er, und war sich selbst jetzt noch sicher, daß sein Part im Kommandieren bestand.
    »Dich gibt’s nicht«, sagte sie und drang auf ihn ein. »Den Teil, der einmal Titus war, werden sie nie mehr finden. Titus ist verschwunden. Der Rest ist bloß…«
    Der Schmerz war schrecklich. Er verhinderte sogar, daß er irgendeinen Laut von sich gab. Oder war das wieder sie, die ihm jetzt den Hals, den Gaumen, den ganzen Kopf umformte? Sie zerlegte das Gefüge seiner Schädelplatten und setzte ihn neu zusammen.
    Nein, wollte er sagen, das ist nicht das subtile Ritual, das mir vorschwebte. In dich geschmiegt wollte ich sterben, mit meinem Mund auf deinem, vergraben in deine Lippen wollte ich vergehn, sterbend erkalten in dir. Nicht auf diese Art.
    Nein. Nein. Nein.
    Sie waren an der Tür, die Männer, die sie hier festgehalten hatten, und trommelten dagegen. Natürlich hatte sie keine Angst vor ihnen, höchstens davor, daß sie ihr Werk verpfuschen könnten, ehe es den letzten Schliff erhalten hatte.
    Jetzt warf sich jemand gegen die Tür. Holz splitterte. Die Tür gab nach und krachte aus dem Schloß. Die zwei Männer waren beide bewaffnet. Mit ruhiger Hand hielt jeder die Waffe auf sie gerichtet.
    »Mr. Pettifer?« sagte der jüngere. In der Zimmerecke, unter dem Tisch, schimmerten Pettifers Augen.
    »Mr. Pettifer?« sagte er nochmals und vergaß jetzt die Frau.
    Pettifer schüttelte seinen Rüsselkopf. Bitte, bleib ja, wo du bist, dachte er.
    Der Mann ging in die Hocke und starrte die ekelerregende Bestie an, die da, blutbefleckt von ihrer Verwandlung, aber lebend, unter dem Tisch kauerte. Die Nerven hatte sie ihm abgetötet. Er spürte keinen Schmerz. Er lebte einfach weiter, die Hände zu Pfoten verknotet, die Beine um den Rücken hochgerafft, mit zerbrochenen Knien, was ihm das Aussehen eines vierbeinigen Taschenkrebses verlieh; das Hirn freigelegt, lidlos die Augen, der gebrochene Unterkiefer über den Oberkiefer

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