DAS 5. OPFER
des Parks. Du solltest vorbeischauen und Hallo sagen.« Tara sah Reggie direkt in die Augen, beurteilte ihre Reaktion auf diese Neuigkeit.
Reggie nickte vorsichtig und machte ein Pokerface, dachte daran, wie bizarr es sein würde, in Charlies Büro aufzutauchen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er jetzt aussehen könnte: Charlie, der Immobilienmakler. Hatte er geheiratet? Hatte er ein Haus voller kleiner Charlie-Juniors mit einem Baumhaus dahinter? Saß er an den Nachmittagen jemals dort mit ihnen, fühlte, wie der Baum schwankte und erzählte ihnen: Ich hatte eine Freundin mit einem Baumhaus …
Tara packte weiter aus. Reggie fühlte sich, als würde sie durch die Zeit wirbeln: In der einen Minute war sie hier, dann in der nächsten wieder bei ihrem dreizehnjährigen Selbst. Und da war Tara: die Sonne, um die Reggie kreiste.
»Was ist das?«, sagte Reggie, ihr Blick fiel auf das Taschenbuch, das jetzt deutlich sichtbar war, nachdem Tara ihre restlichen Kleidungsstücke ausgepackt hatte. Sie spürte, wie sich die Haare in ihrem Nacken aufstellten.
»Was?«, sagte Tara und blickte auf die Tasche hinab. Ihr Gesicht rötete sich. »Oh, das«, sagte sie und zog eine eselsohrige Ausgabe von Neptuns Hände: Die wahre Geschichte der ungelösten Morde von Brighton Falls hervor.
»Was tust du damit?«, blaffte Reggie. Es fühlte sich an wie ein weiterer von Taras Tests, eines ihrer Spiele. Das Buch lag dort gut sichtbar – sie wartete nur darauf, dass Reggie es bemerkte, wartete darauf, zu sehen, was Reggie als Nächstes tun würde.
»Wie gesagt, ich lese.« Tara hielt ihr das Buch hin und Reggie bewegte sich davon weg, als wäre es eine giftige Schlange.
Das war Bockmist. Dieses Buch mit nach Moniques Wunsch zu bringen, war eine völlig kranke Aktion.
»Aber diese Frau … die Dinge, die sie über meine Mutter gesagt hat …«
»Ich weiß«, sagte Tara. »Sie hatte die Grenze überschritten.«
»Warum hast du es überhaupt? Und was hast du dir dabei gedacht, es mit hierher zu bringen?«
Tara blickte auf das alte Taschenbuch, fuhr mit ihren Fingern über das Cover – ein erhabener, glänzender, silberner Dreizack, von dem Blut tropfte.
»Als deine Tante anrief, mir von deiner Mutter erzählte und mir den Job anbot, habe ich nicht gezögert. Du erinnerst dich daran, wie die Dinge mit meiner eigenen Mutter lagen –die die ganze Zeit arbeitete, trank, kaum bemerkte, ob ich lebte oder tot war. Deine Familie war wie meine zweite Familie, meine wahre Familie, diejenige, die von Bedeutung war. Diejenige, die es kümmerte, ob ich zu Abend aß oder wie viel ich fluchte. Erinnerst du dich daran? Die Art, wie Lorraine sich immer aufregte und beleidigt fühlte, wenn ich auch nur das Wort verdammt sagte?«
Reggie nickte, fühlte, wie sie manipuliert wurde, als würde Tara tun, was Tara am besten konnte. Es lag eine tröstliche Vertrautheit darin, mitgezogen zu werden, genau das gesagt zu bekommen, was sie hören wollte.
»Jedenfalls, als ich das Gespräch mit Lorraine beendet hatte, erinnerte ich mich an das Buch. Ich kaufte es, als es herauskam, habe es seitdem nicht gelesen. Aber ich dachte, ich könnte es jetzt noch einmal lesen. Ich weiß, es ist mies, wie sie über deine Mom geschrieben hat, aber diese Martha Paquette hat ihre Recherchen gemacht. Sie hat eine Menge der Fakten des Falles richtig dargestellt. Es sind Polizeiberichte und Interviews hier drin. Daten, Zeiten, Fakten über die Opfer. Es ist voller Hinweise, Reg.« Taras Augen leuchteten, und sie wippte auf ihren Fußballen. Dann plötzlich, als würde ihr klar werden, dass Reggie ihre wachsende Aufregung bemerkte, schwächte sie es ein wenig ab. »Jedenfalls«, sagte sie und räusperte sich, »ich dachte mir, dass ich mein Wissen auffrischen sollte. Du weißt schon, für den Fall, dass deine Mom irgendetwas sagt. Oder sich an irgendetwas erinnert.«
»Na und? Hoffst du, dass du den Fall löst, indem du das Buch nochmal liest und dir die wirren Morphium-Fantasien meiner Mom anhörst?«
Tara zuckte die Achseln.
»Lass dich damit nur nicht von Lorraine erwischen«, sagte Reggie und nickte in Richtung des Buches. »Sie wird dich auf der Stelle feuern.«
Tara nickte, blickte sich im Zimmer um. Sie ging hinüber zu dem Bücherschrank voller schwerer, gebundener Klassiker und stellte Neptuns Hände hinter Gullivers Reisen und Krieg und Frieden.
»Unser Geheimnis«, sagte Tara, und genau in diesem Augenblick schob sie den Ärmel ihres Sweatshirts hoch,
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