DAS 5. OPFER
bekommen hier oben auch die Nachrichten rein, erinnerst du dich? Dachtest du wirklich, ich würde es nicht herausfinden? Gott, ich habe das Foto von dir und deiner Mutter gesehen. Es ist eine Riesenschlagzeile, Reg, dass Neptuns letztes Opfer nach all den Jahren auftaucht. Warum hast du es mir nicht erzählt?« Seine Stimme klang leicht erstickt, so wie immer, wenn er versuchte, seine Wut unter Kontrolle zu halten.
»Oh, Scheiße.« Sie seufzte. »Ich … ich weiß es wirklich nicht.«
»Sicher«, sagte er angewidert.
»Vielleicht hattest du recht«, sagte Reggie. »Vielleicht ist es, weil meine Sonne und mein Mond miteinander auf Kriegsfuß stehen und Neptun im zwölften Haus mich anfällig für selbstgewählte Isolation macht?« Sie warf ihm einen hoffnungsvollen Blick zu.
»Du glaubst nichts davon«, sagte Len. »Und selbst wenn du es tätest, sind schwierige Aspekte in deinem Horoskop keine Entschuldigung dafür, die Leute, die dich lieben, wie Dreck zu behandeln.«
Es war, als wäre sie ins Gesicht geschlagen worden. »Wann habe ich dich jemals wie Dreck behandelt?«
»Du hast mich angelogen, Reggie. Wenn ich dir wirklich etwas bedeuten würde, hättest du mir von deiner Mutter erzählt.«
»Natürlich bedeutest du mir etwas! Gott, Len, wie kannst du das sagen?« Ihr Herz hämmerte bis hinauf in ihren Hals, die Worte Es tut mir leid blieben dort stecken, bis sie sie wieder hinunterwürgte.
»Ich kann das nicht mehr«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme, ging langsam rückwärts, als wären seine Beine besonders schwer. Er ging aus dem Haus und schloss leise die Tür hinter sich.
Reggie fühlte sich wie erstarrt, betäubt, der kalte Schweiß auf ihrem Körper ließ sie frösteln. Was zur Hölle war da gerade passiert? »Len?«, rief sie hinter ihm her. »Len, warte!«
Sein Truck startete in der Einfahrt, das Geräusch des Motors gab ihr den Anstoß, aktiv zu werden. Sie rannte durch das Zimmer, riss die Tür auf und kam gerade noch rechtzeitig heraus, um zu sehen, wie seine Rücklichter sich entfernten.
»Len!«, brüllte sie hinter ihm her, aber er bremste nicht ab. »Scheiße!«, schrie sie erneut und schlug mit ihrer geöffneten Handfläche gegen den Türrahmen. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Sie schlug immer wieder auf das Holz, bis ihre Hand rot war und wehtat.
Was du brauchst, hörte sie eine leise Stimme sagen, ist etwas Scharfes.
Im Inneren des Hauses klingelte das Telefon.
Sie hetzte zurück in die Küche, um abzunehmen, plötzlich besorgt, dass es Lorraine mit Neuigkeiten über Vera sein könnte: Der Zustand deiner Mutter hat sich plötzlich verschlechtert, und du warst nicht hier. Oder vielleicht, nur vielleicht, würde es Neptun sein: Ich habe sie dir zurückgegeben, und du bist weggerannt wie ein rückgratloses, herzloses kleines Mädchen.
»Hallo?«, sagte Reggie beinahe atemlos, mit ihrer pochenden Hand fest das Telefon umklammernd.
»Regina?«
Reggie fühlte einen Kloß in ihrem Hals. Es war Lorraine. Reggie hielt den Atem an, wartete, versuchte, sich auf das Schlimmste vorzubereiten.
Lorraine schwieg.
»Geht es Mom gut? Ist irgendetwas passiert?«, fragte Reggie.
Reggie konnte ihre Tante atmen hören, es war beinahe ein Keuchen, ihr Atem war abgehakt und klang verzweifelt.
»Er ist zurück«, sagte Lorraine schließlich. »Neptun. Er hat heute Morgen eine weitere Hand auf den Stufen der Polizeiwache hinterlassen.«
»Was?« Das ergab keinen Sinn. Es war fünfundzwanzig Jahre her.
»Es ist Tara«, flüsterte Lorraine. »Dieses Mal hat er Tara erwischt.«
22 20. Juni 1985 – Brighton Falls, Connecticut
REGGIE WAR ERST zweimal vorher im Inneren der Polizeiwache gewesen. Einmal, kurz nachdem sie ihr Ohr an den Hund verloren hatte. Lorraine hatte sie auf einer Bank gleich im Eingangsbereich mit einem Josie-und-die-Miezekatzen-Malbuch und einem durchsichtigen Tütchen mit zerbrochenen Wachsmalstiften ohne Hüllen abgesetzt. Als Lorraine zurückkehrte, war Vera bei ihr, sie torkelte leicht, und ihr Make-up war verschmiert.
»Idiotische Cops«, fauchte Vera. »Ich werde sie wegen Polizeibrutalität verklagen. Sie hatten kein Recht, mich auch nur rechts ranfahren zu lassen. Wenn sie auch nur für eine Minute glauben …«
Lorraine brachte sie mit einem tödlichen Blick zum Schweigen.
Sie alle fuhren zurück zu Moniques Wunsch, keiner sagte ein Wort, und Vera war am nächsten Morgen vor dem Frühstück verschwunden.
Das letzte Mal war auf einem Klassenausflug in der zweiten
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