Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
Abwechselnd trommelte er mit seinen Fingern auf die Tischplatte oder spielte mit einem Kugelschreiber, nur, um irgendetwas zu tun, was die unerträgliche Wartezeit verkürzen könnte. Man konnte nicht behaupten, er sei generell ungeduldig. Doch in dieser Situation schien die Uhr stillzustehen. Die hohe Taktfrequenz an Informationen, die er in seinem Beruf gewöhnt war, war zum Stillstand gekommen. Es war ein Zustand, der für einen Chefredakteur dem Ende schlechthin gleichkam.
Es half nichts, wenn von Zeit zu Zeit Journalisten wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten in sein Büro stürmten. Er wies sie schroff ab, was ihm im nächsten Moment schon wieder leid tat. Außer ihm wusste keiner, was sich gegenwärtig in der Stadt ereignete und noch viel weniger ahnten sie, dass ihr Chef in gewisser Weise damit etwas zu tun hatte und in diesem Augenblick mächtig unter Druck stand.
Kaspar schubste ein Kugelstoßpendel an, das seit Jahren auf seinem Schreibtisch stand und in ähnlichen Situation stets beruhigend auf ihn gewirkt oder dabei geholfen hatte, einen klaren Kopf für eine wichtige Entscheidung zu bekommen. Minutenlang konnte er beobachten, wie die äußeren Kugeln pendelten, die inneren anschlugen, diese sich aber keinen Millimeter bewegten. Die Gesetztmäßigkeit dieses Pendels faszinierte ihn. Doch diesmal zeigte es nicht die gewohnte Wirkung. Das Klacken der aneinanderschla-gendenKugeln machte ihn eher nervös. Er hielt das Pendel wieder an.
Er dachte darüber nach, wer hinter dieser E-Mail stecken mochte, die er vor zwei Stunden erhalten hatte. Jemand behauptete, etwas Interessantes über die Bilderberger zu wissen und wollte sich deshalb unbedingt und schnell mit ihm treffen. Wann und wo dieses Treffen stattfände, wollte er telefonisch mitteilen und bat, Kaspar möge Schlag zwölf Uhr erreichbar sein. Jetzt war es drei Minuten vor zwölf. Kaspar starrte auf sein Telefon und überprüfte vorsichtshalber noch einmal den Ladestand des Akkus. Anschließend rief er über das Internet die Atomuhr ab, um die exakte Uhrzeit zu erhalten: Zwei Minuten vor zwölf.
Er erschrak fast, als plötzlich eine junge Mitarbeiterin hereinkam, die lediglich eine Unterschrift vom ihm benötigte.
»Jetzt nicht, kommen Sie später wieder«, raunzte er sie an. Als sie ohne Unterschrift sofort das Büro verließ, strich sich Kaspar mit beiden Händen über das Gesicht. Er war über sich selbst entsetzt. Eine Minute vor zwölf.
Er nahm das Telefon und legte seinen Daumen schon auf die Taste für Rufannahme. Hinter seinem Schreibtisch hielt er es nicht mehr aus, stand auf und ging in seinem geräumigen Büro auf und ab. Es schien, als würde sich die Welt langsamer drehen und die Sekunden zu Minuten werden.
Obwohl er seit geraumer Zeit auf den Anruf vorbereitet war und ihn jeden Moment erwartete, zuckte er zusammen, als sein Telefon endlich läutete. Er meldete sich mit seinem Namen und erwartete das Gleiche von dem Anrufer. Doch der verschwieg seine Identität, sondern teilte lediglich mit, dass er ein Bilderberger-Jäger sei.
»Ich muss Sie dringend sprechen«, sagte er. Seine Stimmeklang gehetzt. Stellenweise gewann Kaspar den Eindruck, er bekäme nicht genug Luft, um einen Satz zu beenden. Er schien sehr aufgeregt zu sein.
»Kennen Sie das Kolonialdenkmal?«, fragte der Mann.
»Natürlich«, antwortete Kaspar und dachte, wer kennt es nicht?
»Gut, ich treffe Sie dort in genau einer Stunde. Lässt sich das einrichten?«
»Selbstverständlich, ich werde pünktlich um dreizehn Uhr dort sein. Sagen Sie mir bitte, weshalb Sie mich so dringend sprechen möchten. Die Art und Weise der Verabredung ist ja nicht gerade gewöhnlich und ich wüsste schon gern,
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