Das 8. Gestaendnis
von Geburt an. Altes Geld. Ein Familienvater, der nebenbei seine kleinen Affären hatte. Manche haben sogar behauptet, er hätte hier in der Stadt noch eine zweite Familie.
Hier, schau dir mal den Mund an, Boxer. Chris Ross war noch im Tod ein Hingucker. Seine Frau hatte sich mit seiner Untreue schlichtweg abgefunden. Die Zeugen haben ausgesagt, dass sie ihr Leben lang für Chris geschwärmt und dass sie ihn geliebt hat. Und dann, urplötzlich, liegt er mausetot im Bett … und zwar wegen der da.«
McCorkle schlug eine der letzten Seiten der Akte auf.
»Da hast du deine Mordwaffe«, sagte er.
Genau darauf hatte ich die ganze Zeit gewartet - aber mit so etwas hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Die Schlange war auf einem Brett neben einem Zollstock befestigt worden. Sie war dreiundfünfzig Zentimeter lang.
Ich konnte den Blick nicht von ihr losreißen.
Sie war grazil, mit bläulich grauen und weißen Streifen und wirkte viel eher wie ein Schmuckstück als wie eine Mörderin.
»Diese Schlange gehört zur Gattung der Kraits«, sagte McCorkle gerade. »Unglaublich giftig. Stammt aus Indien, also muss sie jemand von dort mitgebracht haben. Illegal. An den Häusern der Opfer wurden keinerlei Anzeichen für einen Einbruch festgestellt.«
»Und wie ist die Schlange dann reingekommen?«
McCorkle zuckte übertrieben mit den Schultern.
»Und diese Schlange da hat auch die anderen Opfer umgebracht?«, wollte ich wissen.
»Vielleicht nicht genau diese, Lindsay, aber auf jeden Fall eine von derselben Art. Man hat nach diesem Fund die ersten drei Leichen exhumiert und unter dem Mikroskop untersucht. Der Gerichtsmediziner, ein gewisser Dr. Wetmore, hat dann bei allen vier Todesopfern Bissspuren entdeckt.
Nach Angaben von Dr. Wetmore waren diese Spuren mit dem bloßen Auge wirklich kaum zu erkennen. Wie winzige Nadelstiche, die sehr leicht übersehen werden, wenn man nicht gezielt danach sucht. Und in seinem Bericht stand auch, dass im Umfeld der Bisswunden keinerlei Schwellung oder Rötung erkennbar war.«
»Irgendwelche Tatverdächtige?«, wollte ich wissen.
»Mrs. Christopher Ross hat fünfzig Millionen geerbt. Sie wurde wiederholt befragt und überwacht. Man hat ihr Telefon angezapft, aber niemand hat wirklich geglaubt, dass sie es getan hat. Sie hatte eigenes Geld. Sie hatte wirklich alles.«
»Lebt sie noch?«
»Ist zwei oder drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und andere ernsthaft Tatverdächtige hat es nie gegeben.«
»Simon, haben die Opfer einander gekannt?«
»Einige ja, andere nicht, aber eines hatten sie alle gemeinsam: Sie waren allesamt sehr reich. Und dann noch was, vielleicht bringt dich das ja irgendwie weiter.
Der Leiter der Ermittlungen, Lieutenant Leahy, hat bei einer Pressekonferenz eine unglückliche Bemerkung zu seinem Stellvertreter gemacht, während das Mikrofon eingeschaltet war. Ein Journalist hat es mitgekriegt.«
»Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter, McCorkle!«
»Leahy hat gesagt, ich zitiere: ›Die Opfer waren allesamt verdorben - sexuell und moralisch total korrupt.‹«
McCorkle erzählte weiter, dass Leahy der Himmel auf den Kopf gefallen war, nachdem die Chronicle diese Bemerkung veröffentlicht hatte, und dass er kurze Zeit später nach Omaha umgezogen war. Aber für mich war Omaha weit weg. Ich dachte vielmehr an eine zarte, kleine indische Schlange, die beinahe unsichtbare Bisswunden hinterließ.
Claire wusste von alledem nichts.
Ich musste sie anrufen.
58
Richs Augen gewöhnten sich langsam an das schummerige Licht in Cindys Wohnung. Vor anderthalb Jahren war er schon einmal hier gewesen. Damals hatte ein mordlüsterner Irrer in ihrem Haus sein Unwesen getrieben… ein größerer Gegensatz zu der Situation, in der er sich momentan befand, war beim besten Willen nicht vorstellbar.
Er und Cindy waren allein. Sie hatten getrunken. Und Cindy hantierte mit ihrer vielteiligen Cappuccino-Maschine herum, als wollte sie allen Ernstes jetzt Kaffee machen.
Wie war es bloß so weit gekommen?
Waren seine Wünsche erhört worden?
Während Cindy diverse Kaffeemaschinenteile auf die Arbeitsplatte stapelte, schälte Rich sie in Gedanken aus ihrem pinkfarbenen Pullover und ihrer engen Hose, ließ seine Hände über ihren Körper gleiten und weigerte sich konsequent, weiter als, sagen wir mal, eine Stunde in die Zukunft zu schauen.
Er konnte jetzt nicht an später denken.
Er hatte das alles nicht geplant.
»Wie
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