Das 9. Urteil
Rückbank, neben ihm ein kleines Mädchen. Der Junge legte die flache Hand von innen an das Fenster und sagte ernsthaft: »Hallo, Frau.«
»Hey, Stevie«, erwiderte ich und legte meine Hand auf die andere Seite der Glasscheibe, sodass sie seine ganz bedeckte. Das kleine Mädchen krähte: »Stevie ist in dich verliebt.«
Ich grinste die beiden Kinder an, dann umarmte mich Heidi tränenreich. Schließlich setzte sie sich in das Auto und nahm meine Hand.
»Werden Sie glücklich«, sagte ich.
»Sie auch.«
Eine schwarze Limousine schob sich jetzt neben den Saturn, und Agent Benbow lehnte sich zum Fenster heraus. Er sagte zu Sarah, dass er die Führung übernehmen wollte. Ein zweiter Wagen setzte sich hinter den Saturn, und dann fuhr die drei Autos starke Karawane davon und eskortierte Heidi, Sarah und die Kinder in das erste Kapitel ihres neuen Lebens.
Hoffentlich wurde es ein gutes Leben.
Ich sah ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Ich dachte an Heidi und fragte mich, wie Pete Gordon wohl darauf reagieren würde, dass sie mitsamt seinen Kindern verschwunden war. Und ich fragte mich, wie in Gottes Namen wir ihn finden sollten, bevor er die nächsten Morde beging.
105
Als Yuki und ich am nächsten Morgen in Leonard Parisis Büro kamen, um einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, sah er ganz besonders zerknittert aus. Parisi, der aufgrund seiner roten Haare und seiner Zähigkeit allgemein nur »Red Dog« genannt wurde, überflog die Fotos von den gestohlenen Schmuckstücken im Wert von vielleicht vier Millionen Dollar sowie eine Kopie des Briefs von Hello Kitty.
»Gibt es schon irgendeine Spur von dieser Katze?«
»Sie war in einer Menschenmenge untergetaucht, die sich am Eingang gestaut hat. Die Überwachungskamera hat das ganze Getümmel zwar festgehalten, nicht aber, wer genau die Tasche hinterlassen hat«, sagte Yuki.
»Sergeant?«
»Wir wissen nicht das Geringste über sie«, sagte ich. »Der Schmuck ist im Labor. Bis jetzt haben wir keinerlei Fingerabdrücke darauf festgestellt. Wir wissen nur, dass Kitty jedes einzelne Stück zurückgegeben hat. Ich finde, das verleiht ihrer Aussage, dass sie nicht Casey Dowlings Mörderin ist, eine gewisse Glaubwürdigkeit.«
»Wozu zum Teufel haben wir eigentlich die Überwachungskameras?«, grollte Parisi.
Wie wir alle hatte auch Parisi sich angesichts der stetig steigenden Verbrechensraten in San Francisco und der gleichzeitig relativ niedrigen Verurteilungsquote in seinem Bezirk jede Menge dummer Sprüche anhören müssen. Die Schuld lag jedenfalls immer bei uns, bei der Polizei, die dem Bezirksstaatsanwalt einfach nicht genügend Indizien vorlegen konnte, um daraus eine hieb- und stichfeste Anklage zu zimmern.
»Und? Was genau haben wir vorzuweisen, Sergeant? Die unbewiesene Behauptung einer anonymen, geständigen Juwelendiebin, sie sei keine Mörderin? Glauben Sie denn wirklich, dass Dowling der Täter war?«
»Ich habe zweimal mit Kitty gesprochen, und beide Male war sie nicht davon abzubringen. Mich hat sie jedenfalls überzeugt.«
»Vergessen Sie sie . Sie ist ein Nichts. Ein Geist. Was ist mit Dowling?«
Ich erzählte Parisi alles über Caroline Henley, die seit zwei Jahren Dowlings Geliebte war. Ich erklärte ihm, dass Dowlings Vermögen sich auf etliche zig Millionen belief und eine Scheidung ihn teuer zu stehen gekommen wäre. Also hatte er ein ziemlich gutes Motiv gehabt, seine Frau zu ermorden. Ich sagte, dass Dowlings Aussagen widersprüchlich waren, dass seine Schilderung der Geräusche, der Schüsse, seine Antworten auf die Frage, ob seine Frau nach ihm gerufen hatte oder nicht, sich im Lauf der Zeit verändert hatten.
»Was noch?«
»Als wir gleich nach den Schüssen zu einer Befragung bei ihm waren, da waren seine Haare nass.«
»Also hat er geduscht, um Indizien zu vertuschen.«
»Genau das glauben wir.«
Red Dog schob mir den Aktenordner mit den Fotos zu. »Ein Duschbad ist kein hinreichender Verdacht. Bevor Sie das Haus dieser Filmlegende durchsuchen und die Medien Wind davon bekommen und uns das eine Anzeige wegen Verleumdung einbringt, sollten Sie noch ein bisschen mehr Material auftreiben als eine Einbrecherin, die behauptet, dass sie es nicht getan hat, und einen duschenden Dowling.
Das ist kein hinreichender Grund für einen Durchsuchungsbefehl, Yuki«, sagte Parisi. »Damit landen wir auf der Schnauze.«
106
Ich packte meinen Schreibtischstuhl und stieß ihn heftig gegen den Mülleimer und dann gleich noch einmal,
Weitere Kostenlose Bücher