Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
Vom Netzwerk:
errötete unter seinem schwarzen Bart. Und er ahnte, dass man es sehen konnte.
    „Und wenn dir jemand zweimal die Möglichkeit gibt, eine Dummheit noch einmal zu überdenken, solltest du vielleicht ein wenig dankbarer sein.“
    Flammrank entwand den Stein der Hand des Rekruten.
    „Dieser Stein ist spitz und scharfkantig, was kaum etwas mit Dankbarkeit zu tun hat“, fuhr er fort. „Hättest du einen anderen gewählt, dann, und das sollte dir wirklich zu denken geben, könnte ich das hier nicht tun…“
    Daraufhin hob der Alte den Stein und schnitt dem Rekruten mit einer raschen Bewegung direkt unter dem Kinn den Bart ab.
    Dann stand er auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und begab sich zurück auf seinen Platz.
     
     
    „Wenn ich meine geschätzten Zuhörer bitten dürfte, sich wieder zu setzen, damit wir diese Lektion noch während dieser Schicht beenden können?“, sagte Flammrank an die übrigen Rekruten gewandt. Die ewige Finsternis jenseits der großen Barriere war ein guter Lehrer gewesen. Dort, in der Welt der Drachen, hatte Flammrank seine Sinne trainiert. Er hatte einmal eine ausgewachsene Glimmschwinge in völliger Finsternis bezwungen. Ganz zu schweigen von den Felsen, die er erklommen, und den Nestern, die er geplündert hatte. Ohren und Nase zu verlieren, hätte er als weit schlimmer empfunden. Augen logen und verloren ohnehin weitgehend ihren Sinn, wenn das Licht ausging.
    Seit er das erste Mal hinunter zu den Drachen gestiegen war und die große Barriere hinter sich gelassen hatte, war die Finsternis sein Verbündeter gewesen. Und jetzt war sie immer da…
    Die Rekruten fanden sich wieder auf den Stufen ein und wandten Flammrank erneut ihre Aufmerksamkeit zu. Steinkeim trollte sich gesenkten Hauptes von dannen und wagte es nicht, einem von ihnen ins Gesicht zu blicken.
    Welch eine Schmach, welch eine Demütigung! Der Alte hatte ihm den Bart genommen, den Bart, in dem der Stolz und die Seele eines Zwerges ruhten! Wie ein geprügelter Hund drückte er sich, den Blick auf den Boden gerichtet, im Widerschein der Käfer an den Felsen vorbei und eilte Richtung Ausgang, bemüht, sein nacktes Kinn zu verbergen.
    Fast hätte er dabei den Boten umgerannt, der gerade von einem sichtlich erschöpften Schieferspringer abstieg und eiligen Schritts in die Trainingshöhle der freiwilligen Felswehr lief.
     

INTERMEZZO
     
     
     
    Der Große Verwalter fühlte sich alles andere als sicher. Sie sahen ihn alle an. Mit finsteren Blicken. Und er konnte ihre Stimmen hören. Selbst wenn sie nicht sprachen. Sie hämmerten an seinem Thron. Und er konnte es hören. Deswegen hatte er auch noch einmal die Götter befragt. Sie hatten seine Weisheit gelobt und ihm den Gang gezeigt, den er gehen musste. Das Wohl des Imperiums sollte im Geheimen gesichert werden. Und nur die Besten durften in diese Geheimnisse eingeweiht werden und im Dunkeln nach Verrat und Aufruhr spähen, um dem Verwalter Meldung zu erstatten. Der Verwalter würde eine geheime Organisation begründen, die seinem Volk über die Schultern, in die Börsen und auf die Schippe schauen sollte. Der Schaum hatte sich klar und deutlich ausgedrückt, und darum hatte sich der Große Verwalter verkleidet und seine Wohnhöhle verlassen. Er trug eine große Kapuze über dem Helm und das Lederwams eines einfachen Schürfbruders und wäre im Licht der Gänge auch nicht von einem solchen zu unterscheiden gewesen, wäre er nicht von einem Dutzend Felswehrgardisten begleitet worden. Die waren zwar ebenfalls wie einfache Schürfbrüder gekleidet, erfüllten zugleich jedoch dienstbeflissen ihre Aufgabe, niemanden zu nahe an den Herrn aller Zwerge heranzulassen.
    Und da in den Gängen des Ehernen Imperiums für gewöhnlich ein wüstes Gedränge herrschte, gerempelt und geschubst wurde und man auf einer Strecke von drei Gängen mindestens einen beherzten Faustschlag kassierte, fiel dieser gewöhnliche Zwerg inmitten eines Dutzends anderer gewöhnlicher Zwerge, der dem Rempeln und Stoßen so gänzlich entging, durchaus auf.
    Es dauerte nicht lange, bis sich herumgesprochen hatte, dass der Große Verwalter in Verkleidung in den Gängen unterwegs war. Bei den meisten Zwergen weckte das jedoch weniger das Bedürfnis, ihm aufzulauern, sondern vielmehr, ihm aus dem Weg zu gehen.
    Seit er sich wie ein rasender Torfbold verhielt, war der Herr der Zwerge bei seinen Untertanen nicht mehr sonderlich beliebt. Dieser Tage war es einfacher, in Vorrngarth zu landen, als sich in den

Weitere Kostenlose Bücher