Das abartige Artefakt
eigentümlichen Amuletten und Talismanen behängt waren.
Nachdenklich betrachteten sie den Schaum und stocherten mit dünnen Knöchelchen oder mit ihren Fingern darin herum. Sie murmelten leise und flüsterten gewichtige Worte, während der Große Verwalter einfach nur dort saß.
Er hatte den schwierigen Teil der Deutungsarbeit inzwischen seinen persönlichen Schaumdeutern übertragen. Es waren alte, weise Zwerge, die seit Jahrhunderten im Zwielicht der Glimmsteingewölbe den Bierschaum deuteten. Dort pflegten sie ihre Kunst im Verborgenen auszuüben, weshalb nur die wenigsten Zwerge davon wussten. Doch dem schwarzen Menhir blieb nichts verborgen, und Felsigk Klammgluth, erster geheimer Diener des obersten Herrschers der Zwergenheit, hatte die Schaumdeuter im hintersten Winkel des Imperiums ausfindig gemacht und die besten von ihnen seinem Herrn anempfohlen.
Darüber, dass er sie innerhalb einer halben Schicht hatte herbeischaffen können, hatte sich der Verwalter nicht einen Moment lang gewundert. Ihm wäre niemals in den Sinn gekommen, dass mit diesen außerordentlich ehrwürdigen Zwergen irgendetwas nicht stimmen könnte.
Sie waren schwer zu überzeugen gewesen und nicht bereit, sich bezahlen zu lassen. Um sie gnädig zu stimmen, hatte der Große Verwalter ihnen das Orakelmonopol und eine komplett mit Gold ausgekleidete Höhle für die rituelle Schaumdeutung zugesichert.
Er war froh, dass die Götter wieder sprachen.
Auch wenn sie sich nicht wie einst dem Allerüberhöchsten mitteilten. Womöglich würde er ihn früher oder später durch seinen ersten Schaumdeuter ersetzen müssen, damit alles wieder seine Ordnung hatte.
In diesem Augenblick tauchte vom Eingang der Höhle her Felsigk Klammgluth auf, der Anführer des schwarzen Menhirs, und näherte sich demütig dem Thron des Verwalters, der immer noch versonnen lächelnd den schillernden Bierschaum auf der steinernen Tafel betrachtete.
„Oh Verwalter, Bewahrer der Zwergenheit, lasst mich Bericht erstatten von dem, was in den Gängen geschieht.“
Ohne aufzusehen, bedeutete der Große Verwalter ihm fortzufahren. Und Felsigk Klammgluth ließ sich nicht zweimal bitten.
„Der schwarze Menhir wächst, Herr. Wir heuern nur die besten und kräftigsten Zwerge an. Ihre Augen und Ohren werden bald schon überall sein, und nichts in den Gängen wird ohne Wissen des Menhirs geschehen.“ Tatsächlich entging Klammgluth und seinen Leuten, die er allesamt innerhalb kürzester Zeit in den Menhir aufgenommen hatte, bereits jetzt kaum etwas von dem, was in den Gängen passierte. Denn sie bewegten sich ebenso unter wie über den Steinen. Sie wussten sogar von den Dingen, die der Verwalter selbst zu verbergen trachtete, etwa von den Begnadeten Bewahrern, ihrer Aufgabe und ihrem geheimen Quartier. Dieses Wissen aber behielt Klammgluth für sich. Mit gesenktem Bart fuhr er fort: „Ich bin bereit und fähig, jeden Wunsch meines Herrn im Geheimen zu erfüllen. Gegenwärtig aber gibt es nur eines, das mir erwähnenswert erscheint: Der Höchste der Hohen ist verschwunden.“
Langsam drehte der Verwalter den Kopf und blickte Klammgluth an. Der Höchste der Hohen war zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Sicherheit der Zwerg, dem er am wenigsten trauen konnte. Er hatte zwar versucht, ihn mit Hilfe von Steinschmauch ruhigzustellen, doch der Alte hatte allen Grund, mit dem Geschehen im Ehernen Imperium unzufrieden zu sein. Die Götter sprachen jetzt zum Verwalter selbst. Da wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn sich ihr altes Sprachrohr dem Steinschmauch zum Trotz grämte und düstere Gedanken dachte. Womöglich plante er bereits einen Umsturz. Aber der Verwalter würde einen Grund brauchen, um ihn seines Amtes zu entheben. Einen Grund, den auch die Anhänger des Allerhöchsten akzeptieren mussten. Und ein solcher ließ sich am ehesten im Verborgenen finden.
Mit feierlicher Geste legte der Verwalter Klammgluth eine Hand auf die Schulter.
„Vernimm den Willen deines Herrn, schwarzer Menhir! Ich will, dass du den Wisser des Wissens, den Prophezeier alles zu Prophezeienden findest und ihm fortan auf Schritt und Tritt folgst. Erstatte mir über jede seiner Verfehlungen Bericht. Wenn er einen Käfer zertritt, will ich wissen, welchen. Wenn er im Schlaf spricht, will ich wissen, was. Wenn er zu den Latrinen geht, will ich wissen, wann. Alles ist wichtig. Sei mein Auge und mein Ohr, die ich auf ihn richte!“
Klammgluth verbeugte sich, bis sein Bart beinahe den Boden
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