Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster

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zahllose andere auch, musste wahrlich unauffällig sein. Und bei der Arbeit für einen Geheimdienst war Unauffälligkeit die Schneide an der Axt. Wenn die Götter Kiesgrimm bestimmt hatten, dann war dies der richtige Zwerg.
    „Zwerg!“, wandte sich der Große Verwalter an den Antiquitätenhändler. „Wisse, dass das Schicksal und ich dich für eine bedeutende Aufgabe ausersehen haben.“
    Kiesgrimm neigte das Haupt. Allerdings weniger aus Demut vor dem Verwalter, sondern vielmehr in der Gewissheit, dass der Herr des Zwergischen Zwielichts und nicht das Schicksal ihn ausersehen hatte.
    „Du wirst, wenn du dieses Wagnis eingehst, der erste Diener deines Herrn und seines Volkes sein“, fuhr der Große Verwalter fort. „Ein Zwerg wirst du den Zwergen scheinen, doch in Wirklichkeit wirst du mein Auge sein im Fels, mein Ohr im Stein und mein Wille im Dunkeln!“
    Die nachfolgende bedeutungsschwangere Pause hatte sich der Verwalter einfallen lassen, seit er das letzte Mal diesen Vortrag gehalten hatte. Sie kam ihm recht treffend und angemessen bedeutsam vor. Ehe er jedoch weitersprechen konnte, ergriff Harrm Kiesgrimm das Wort.
    „Herr, ich bin Euch dankbar für Euer Vertrauen, und darum will ich Euch zum Beweis dafür, wie gut und treu ich Euch als Euer Auge dienen werde, etwas verraten. Denn ich habe es auf den ersten Blick erkannt und denke, dass Ihr als Herr aller Herren, der seit ehedem über den Blechprinzen und Erzfürsten der Neuen Dynastie steht, es wissen solltet.“
    Der Große Verwalter verlor ein wenig seinen salbungsvollen Faden.
    „Was meinst du, Zwerg?“, fragte er argwöhnisch.
    „Euer Prunkhammer, Herr…“, erwiderte Kiesgrimm.
    „Was ist damit? Ich trage ihn mit Stolz, und er ist einer der ersten kurzstieligen Kampfhämmer überhaupt. Er stammt aus dem Erbe Unbart von Moosgrolls, der diese Art des Hammers erfand und damit die Trolle aus der Gipsklamm und der Lehmboldschlucht herausdrosch, bevor er…“
    „Er ist eine Fälschung, Herr.“
    „… mit zehn seiner treuesten Untergebenen… Was hast du gerade gesagt?“
    „Euer kurzstieliger Kampfhammer aus dem Erbe Unbart von Moosgrolls. Er ist eine Fälschung.“
    Ungläubig zog der Große Verwalter den Hammer hervor und betrachtete ihn. Das war doch nicht möglich. Dieser Hammer war alt. Sehr alt sogar, ohne Zweifel. Und wer hätte gewagt, ihm, dem Herrn aller Zwerge, eine Fälschung zu verschachern? Nein, das war vollkommen unmöglich. Tatsächlich hegte er in diesem Moment sogar Zweifel, ob dieser vorlaute Zwerg wirklich der Richtige war oder ob die Schaumleser sich nicht womöglich vertan hatten. Schaum war eine schwer zu deutende Angelegenheit. Ein unachtsamer Moment, und schon entging dem Betrachter ein wichtiges Bläslein oder Funkeln.
    „Nun, Herr, ich weiß, er sieht echt aus, aber betrachtet nur einmal den Zierstein auf der Schnürung.“
    „Ein Zinnober.“
    „Ein Zinnober, genau. Wahrscheinlich hatte der Fälscher kein Drachenauge zur Hand, das bekanntlich Moosgrolls Wappenstein war und auch auf seinem Helm in der Halle der Audienzen zu finden ist.“
    Der Große Verwalter sann kurz nach, und tatsächlich glaubte er sich zu erinnern, dass der glorreiche Helm Unbart von Moosgrolls mit Drachenaugen und nicht mit Zinnober besetzt war.
    Stirnrunzelnd betrachtete er den Hammer noch einmal.
    „Und schaut Euch die Maserung an, Herr!“, fuhr Kiesgrimm fort. „Das Holz ist dunkel und könnte tatsächlich gute zweitausend Jahre alt sein, aber was ist mit dem Glanz? Ich möchte behaupten, der Fälscher hat es mit Hornöl und altem Stinkschmierharz künstlich altern lassen. Und dann der Hammerkopf. Gutes Eisen, gewiss, aber wenn Ihr mich fragt, hat niemand zu Lebzeiten des ehrwürdigen Unbart von Moosgroll mit Glimmschwingenfeuer { * } geschmiedet, wofür die rote Färbung des Stahls spricht.“
    Der Verwalter schien beeindruckt. Er kniff ein Auge zu und hob den Hammerkopf vor das andere. Bei der Hohen Höhle! Das Engauge hatte recht! Dieser Hammerkopf war definitiv im Feuer einer Glimmschwinge geschmiedet worden. Die erste Glimmschwinge aber, die in einer zwergischen Schmiedehöhle ihr Feuer versprüht hatte, war vor knapp tausend Jahren, lange nach Moosgroll und den ersten kurzstieligen Kampfhämmern, gefangen worden. Dieser Kiesgrimm musste wahrhaftig gute Augen haben.
    In Wahrheit verließ sich Harrm Kiesgrimm an dieser Stelle weniger auf seine Augen als vielmehr auf sein Gedächtnis.
    Er selbst hatte diesen Hammer nämlich nicht