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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Nacht, und schlafen Sie gut.«
    »Gute Nacht«, erwiderte Anna und verließ das Zimmer.
    Er ging an das Barfach, holte eine Flasche Cognac heraus, schenkte sich ein. Er setzte sich neben seine Frau, die die Hände über dem Schoß gefaltet hatte, und trank einen Schluck.
    Er betrachtete sie lange von der Seite, ihre immer noch makellose Haut, das faltenlose Gesicht, das umrahmt wurde von dem bis über die Schultern fallenden, dichten, dunkelblonden Haar. Wie gerne roch er dieses Haar, ihre Haut, deren Duft er am meisten liebte, wenn sie kein den eigenen Duft überdeckendes Parfüm trug. So lange er zurückdenken konnte, gab es seit dem Augenblick, da er sie kennengelernt hatte, keinen Moment, in dem er das Zusammensein mit ihr auch nur im geringsten bereut hätte. Die Gespräche – mit ihr konnte er sich über alles unterhalten –, die Winterabende vor dem Kamin, wenn das Knistern des Holzes im Feuer das einzige Geräusch war, aber auch die Urlaube mit den Kindern, die gemeinsamen Mahlzeiten, von denen vor allem das Abendessen beinahe wie ein Ritual, ein schönes Ritual, zelebriert wurde. Wie viele Jahre lang waren sie Arm in Arm eingeschlafen, sie in seinem, er in ihrem, wie viele Jahre lang hatten sie sich verstanden, ohne daß sie etwas sagen mußten, wie viele Jahre lang schien nichts das Glück, das sie sich aufgebaut hatten, zerstören zu können. Er legte eine Hand auf ihre, sie fühlte sich kalt an. Er trank sein Glas leer, stand auf, stellte es auf den Tisch. Er sagte: »Schatz, komm, wir gehen zu Bett, es ist spät.«
    Sie erhob sich wie eine Marionette, kam in langsamen, abgehackten Bewegungen auf ihn zu. Er nahm die Fernbedienung in die Hand, drückte den Ausknopf. Er faßte seine Frau bei der Hand, und zusammen gingen sie die Treppe hinauf zum Schlafzimmer. Er fühlte sich miserabel.

Dienstag, 7.00 Uhr
     
    Julia Durant wurde vom Telefon geweckt. Sie drehte sich auf die andere Seite, nahm mit noch geschlossenen Augen den Hörer ab.
    »Ja?« murmelte sie schlaftrunken.
    »Hier Berger«, kam es von der anderen Seite. »Es tut mir leid, Sie wecken zu müssen, aber es hat wieder einen Toten gegeben. Ich möchte Sie bitten, so schnell wie möglich mit Kollege Hellmer hinzufahren.«
    Sie war sofort hellwach, setzte sich auf. »Wer?«
    »Man mag es kaum glauben«, sagte er und machte eine kurze Pause, »aber es ist Stadtdekan Domberger.«
    »Stadtdekan Domberger?« fragte die Kommissarin ungläubig. »Auf die gleiche Weise?«
    »Auf die gleiche Weise.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Seine Haushälterin vor etwa zehn Minuten. Vier Streifenbeamte sind bereits vor Ort. Beeilen Sie sich bitte, ich werde gleich auch noch bei Kommissar Hellmer anrufen. Sie wissen, wo Domberger wohnt?«
    »Ja. Ich bin in spätestens einer halben Stunde dort.« Sie legte auf, fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkle Haar. Sie erhob sich, ging ins Bad. Sie wusch sich das Gesicht, kämmte sich, legte in Windeseile etwas Make-upauf, zog die Lippen nach. Sie zog eine Jeans und eine hellblaue Bluse an, steckte das Handy in die Handtasche, holte sich aus der Küche eine Banane, die sie auf dem Weg zum Auto aß. Sie brauchte eine Viertelstunde bis zum Tatort. Auf dem Weg dorthin drehte sie das Radio auf volle Lautstärke, rauchte eine Zigarette. Sie fühlte sich wie gerädert, sie haßte es, auf derart unsanfte Weise aus dem Schlaf gerissen zu werden.
    Die beiden Streifenwagen standen vor dem Haus, ein Beamter vor dem Eingang. Julia Durant stieg aus, warf die Zigarette auf die Straße. Sie hielt dem Beamten ihren Ausweis hin, betrat das Haus, in dem es nach alten Möbeln und altem Gemäuer roch. Sie hörte Stimmen, ging ihnen nach, bis sie zu dem Raum kam. Drei Beamte hielten sich darin auf. Sie sah kurz zu ihnen hin, dann wandte sie ihren Blick nach links, wo der Tote nackt auf dem Boden lag. Da noch kein Arzt anwesend war, nahm sie die Plastikhandschuhe aus ihrer Handtasche, zog sie über. Sie beugte sich zu dem Toten hinunter, betrachtete ihn für einen Moment, dann faßte sie seine Finger an, die steif und angewinkelt waren. Sie befühlte seinen Kopf, vor allem das Kiefergelenk, das wie eingerostet schien. Sie versuchte, den massigen Körper auf die Seite zu drehen, schaffte es aber nicht allein und winkte einen der Beamten heran.
    »Wenn Sie mir bitte helfen würden, ihn auf die Seite zu drehen. Ich muß sehen, ob die Leichenflecken wegdrückbar sind. Wo ist überhaupt die Haushälterin?« fragte sie, während sie gemeinsam den

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