Das achte Tor
um-spielte seine Lippen.
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ie sind hinter uns.« Nathans Stimme klang hart, und S er hatte den Rückspiegel fest im Auge. Shaé drehte sich um. Der Wagen der Anzug-Typen, ein dicker schwarzer Volvo, hatte den Rückstand aufgeholt und war keine fünfzig Meter mehr entfernt. Nathan schaltete zurück und trat voll aufs Gas. Eddys kleiner weißer Clio machte einen Satz nach vorne. Nathan überholte den vor ihm fahrenden Kombi und scherte unmittelbar vor einem entgegenkommenden Lastwagen wieder ein. Shaés ent-setzter Aufschrei wurde vom Getöse der LKW-Hupe übertönt.
»Tut mir leid, aber ich hab überhaupt keine Lust, geschnappt zu werden.«
»Was wollen sie von dir?«, fragte Shaé und krallte sich am Türgriff fest.
»Ob du’s glaubst oder nicht, ich hab keine Ahnung.«
Nathan überholte ein weiteres Auto, bevor eine weiße, durchgezogene Linie einsetzte. Nathan schaltete hoch in den Fünften. Der Clio entwickelte richtig Power. Der Tacho ging bis zweihundertzwanzig, es musste also ein kräftiger Motor sein.
»Wir müssen sie abhängen«, fauchte Nathan.
»Im nächsten Kreisverkehr rechts abbiegen.«
»Wohin geht’s da?«
»In die Stadt. Die Polizei ist gleich am Ortseingang.«
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»Und wenn ich links abbiege?«
»Geht’s zur Autobahn. Willst du nicht zur Polizei?«
Nathan wich aus.
»Wir haben uns nicht mal vorgestellt. Wie heißt du?«
»Shaé.«
»Ich bin Nathan. Hör zu, Shaé, ich weiß nicht, weshalb uns diese Typen verfolgen. Ich weiß allerdings, dass man sie Helluren nennt, dass sie gefährlich sind und dass sie
… Wie soll ich sagen?«
»Dass sie keine Menschen sind?«
Nathan warf seiner Beifahrerin einen kurzen Blick zu, aber sie hatte geredet, ohne ihn dabei anzusehen, und wegen ihrer langen schwarzen Haare konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen.
»Wie kommst du darauf?«, fragte er, ohne seine Überraschung verbergen zu können.
»Vorhin ist einem von ihnen die Brille runterge-rutscht.«
»Verstehe. Und dann bleibst du so gelassen?«
»Ich bin komische Sachen gewöhnt.«
Wieder sah er sie an und erwartete ein Zeichen.
Wieder Fehlanzeige.
Nathan wollte gerade noch eine Frage stellen, da tauchte vor ihm schon der Kreisverkehr auf, und der Wagen der Verfolger kam immer näher. Nathan ließ beim Zu-rückschalten den Motor aufheulen, überholte einen ab-bremsenden Lieferwagen und raste mit über achtzig in den Kreisel. Auch wenn der Clio leicht abdriftete, hatte er ihn jederzeit unter Kontrolle. Er nahm den Abzweig nach links und war sehr schnell auf der Autobahn. Die Helluren hundert Meter hinter ihnen taten das Gleiche.
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»Hast du Ärger mit der Polizei?«, fragte Shaé, ohne ei-ne Spur von Mitgefühl.
»Nein.«
»Diebstahl? Drogen? Hehlerei?«
»Nein, wenn ich’s dir doch sage!«
»Und warum bist du dann nicht zur Polizei gefahren?«
Nathan zögerte. Die Anweisungen seines Vaters waren klar und deutlich. Mit niemandem darüber reden! Aber sein Vater hatte sicherlich nicht vorausgesehen, dass er vor einer Bande Helluren fliehen musste und sich dabei in Begleitung eines Mädchens befand, an dem diese Helluren ein ebenso handfestes Interesse zeigten!
Er wandte sich wieder zu seiner Beifahrerin. Diesmal kreuzten sich ihre Blicke. Shaés nachtschwarze Augen zogen ihn in den Bann. Zum Teufel mit den unerklärlichen Anweisungen seines Vaters.
Er begann zu erzählen.
***
Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick in den Rückspiegel.
Auch wenn er schon fast zweihundert Stundenkilometer fuhr, der Volvo blieb ihnen auf den Fersen, und sie konnten keinen Vorsprung herausholen.
Shaé hörte ihm zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen.
»Es tut mir leid, dass ich dich in diese Geschichte mit hineingezogen habe«, schloss Nathan, »aber du verstehst jetzt, weshalb ich unmöglich die Polizei um Hilfe bitten kann. Schade, dass du kein Handy hast, das hätte uns aus der Patsche geholfen.«
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Shaé nickte zustimmend und deutete dann auf eine nahende Autobahnausfahrt.
»Dort solltest du abfahren.«
»Warum?«, fragte Nathan verwundert.
»Weil in knapp zehn Kilometern eine Mautstelle kommt und wir dort anhalten müssten.«
»Okay, hab verstanden«, antwortete Nathan in einem etwas zu scharfen Ton.
Er war nämlich ein wenig darüber enttäuscht, dass Shaé kaum eine Reaktion gezeigt hatte, als er ihr von seinen Erlebnissen erzählte. Wie konnte ein Mensch nicht die geringste Gefühlsregung zeigen, wenn jemand von der Zerstörung seines Hauses und
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