Das achte Tor
während Eddy sich bemühte, seinen Köter zu bändigen, der gerne mitgemacht hätte.
Plötzlich spürte Shaé, wie das Etwas in ihr erwachte.
Und mit dem Etwas kam die Angst.
»Nein!«, schrie sie.
Dann sah sie aus dem Augenwinkel einen weiteren Jungen hinzukommen. Meine Güte, konnte der schnell rennen!
Eine Faust zielte auf Shaé.
Doch schon war der Neue da. Er blockte den Schlag mit dem Unterarm ab und trat dabei seinem Gegner gleichzeitig die Beine weg.
»Hau ab!«, rief er Shaé zu, bevor er eine weitere Faust abwehrte, die sie mitten ins Gesicht getroffen hätte.
Und wieder mit dieser Schnelligkeit. Verblüffend. Er 81
wich zwei Angriffen mit der Geschmeidigkeit eines Tänzers aus und schlug dann zu. Einmal. Der Glatzkopf, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, ging erneut zu Boden und blieb liegen.
»Hau ab!«
Das Etwas in Shaés Innern bebte. Sie rannte los. Und sah dabei noch den Unbekannten, wie er unglaublich hoch sprang und wieder zuschlug.
***
Nathans Bein schnellte vor. Sein Fuß traf einen der Typen voll gegen die Stirn. Dann landete Nathan butter-weich auf der Erde, duckte sich, wich einem ungeschickten Angriff aus, täuschte nach links an.
»Attacke, Killer, reiß ihn in Stücke!«
Der Kerl, der sich bis jetzt rausgehalten hatte, ließ seinen Rottweiler los.
Nathan kannte diese Hunde. Mächtige Tiere, die man wegen ihrer Wildheit züchtete und die eigentlich einen Maulkorb tragen müssten, um Unfälle zu vermeiden.
Eigentlich. Viele waren unerlaubterweise als Kampfhun-de abgerichtet, von Typen wie diesem. Typen, die gefährliche Hunde in richtige Killer verwandelten.
Nathan schwenkte herum und federte in den Beinen.
Diesmal war es unmöglich, einen Bären aus dem Ärmel zu ziehen. Ziemlich schade. Mit einem schrecklichen Knurren rannte der Rottweiler los.
Sein Ziel war das Mädchen, das gerade am Ende der Lagerhalle um die Ecke verschwand.
»Killer, komm her! Killer, ich hab dir gesagt, dass …«
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Eddy blieb der Satz im Hals stecken. Nathans Ellbogen krachte in seine Rippen, dass ihm die Luft wegblieb und er zu Boden ging. Der letzte verbliebene Teilnehmer betrachtete die Szenerie, wog seine Chancen ab und zog es vor, das Weite zu suchen.
Ohne Verschnaufpause nahm Nathan blitzartig die Verfolgung des Rottweilers auf. Er wusste zwar nicht, wie er dieses Monster kaltstellen wollte, aber wenn er nicht dazwischenging, wäre das Mädchen verloren. Hinter der Lagerhalle waren schon Kampfgeräusche zu hö-
ren, dann ein fürchterliches Schmerzgeheul, das jedoch von einer Sekunde auf die andere erstarb. Als hätte jemand plötzlich den Ton abgedreht.
Nathan stieß einen Fluch aus und rannte noch schneller.
Als er um die Ecke bog, erstarrte er.
Das Mädchen lag dort zusammengekrümmt am Boden und hatte ihr Gesicht in den Armen vergraben. Sie schluchzte leise vor sich hin.
Der Rottweiler lag auch da.
In mehreren Stücken, die über eine riesige Blutlache verteilt waren.
***
Shaé zuckte, als sie Nathans Hand auf ihrer Schulter spürte, und löste sich sofort mit einem Ruck. Das Etwas in ihr arbeitete noch. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie nicht versucht, es unter Kontrolle zu bringen. Es war immer noch aktiv. Wachsam und gefährlich. Tödlich.
Shaé wusste, was das Etwas mit dem Hund angerichtet 83
hatte. Ohnmächtig musste sie mit ansehen, wie es ihn mit entsetzlicher Gewalt in Stücke gerissen hatte. Wenn sie nun wollte, dass das Gleiche mit …
»Bist du verletzt?«
Die beunruhigte Stimme gehörte nicht zu einem ihrer Angreifer. Shaé entspannte sich unmerklich. Das Etwas zog sich zurück.
»Du musst nichts mehr befürchten. Sie sind weg.«
Shaé öffnete die Augen und wandte den Kopf um.
Der Junge war ihr so schnell zu Hilfe geeilt und hatte sich so ungestüm in die Auseinandersetzung gestürzt, dass sie an seiner Existenz gezweifelt hatte. Und immer noch ein wenig zweifelte. Aber er stand da und sah sie mit seinen grünen Augen an. Der tote Hund und das Blut interessierten ihn kein bisschen. Sie setzte sich auf.
»Bist du verletzt?«, wiederholte er.
»Nein.«
Sie schob sich die Strähne aus dem Gesicht, und Nathan erschrak, wie von einem unsichtbaren Pfeil getroffen. Nichts in diesem Gesicht war ebenmäßig, aber dennoch strahlte es eine wilde, bezaubernde Anmut aus.
Angefangen bei ihren Augen, die so schwarz waren, dass sich ihre Pupillen darin verloren, passend dazu ihr ebenso schwarzes Haar.
Ein tiefer, dunkler Blick.
Beinahe
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