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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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kilometertiefer Abgrund, aus dem sich eine gigantische Konstruktion aus Metall, Glas und Sandstein erhob. Ihre Ausmaße waren so gewaltig, dass sie längst unter ihrem eigenen Gewicht hätte zusammengesackt sein müssen.
    An ihrem Rand, kaum einen Steinwurf von Bausch entfernt, stand ein kleines menschenähnliches Wesen. Es hielt sich so nah am Abgrund auf, dass der alte Mann befürchtete, der leiseste Windhauch könnte es von der Kante wehen. Der Fremde war in einen ärmellosen, blau schimmernden Mantel gekleidet und sah zum Plateau herüber, ohne zu blinzeln. Bausch konnte nicht sagen, wie alt das Wesen war. Es wirkte jung und unendlich alt zugleich.
    »Hallo, Vincent«, grüßte es ihn. Seine Stimme klang eigenartig dumpf, als wäre die Weite der Landschaft um sie herum nur Blendwerk.
    »Woher kennst du diesen Namen?«
    »Aus deinen Gedanken.«
    Staunend ließ Bausch seinen Blick über die gigantische Konstruktion wandern. Sie bestand nicht aus einem einzigen kompakten Körper, sondern war verschachtelt und verästelt, mit kilometerlangen Auswüchsen, wie ein monströses Ganglion. Ein leises, aber unangenehmes Summen lag in der Luft, das seinen Ursprung zweifellos im Inneren des riesenhaften Konstrukts hatte. War das, was er sah, ein Kraftwerk? Oder eine Maschine?
    »Ist das ein Traum?«, fragte Bausch die kleine, blau gekleidete Gestalt.
    »Nein, Vincent. Daher ist es wichtig, dass du mir gut zuhörst.«
    »Was bist du?«
    »Meine Erscheinung ist nur ein Aspekt eines größeren Ganzen. Ich könnte jederzeit eine andere Gestalt annehmen, auch wenn diese ebenfalls nur eine Illusion wäre. Für Erklärungen bleibt jedoch keine Zeit, Vincent. Dieser Kontakt findet statt, um euch vor den Dienern der Wucherung zu warnen. Die Arisi sind in großer Gefahr.«
    »Wovon redest du?«
    »Von euren Kindern«, erklärte das Wesen. »Jenen, die ihr Betas nennt. Bringt sie zu den Brunnen, schnell!«
    »Zu den Brunnen?«, stutzte Bausch. »Aber … wozu?«
    »Schnell!«, drängte das Wesen. Dann verblasste es mitsamt der riesigen Maschine. Augenblicke später wogte an ihrer Stelle wieder das Meer. Auch die Menschen begannen sich langsam zu bewegen, während die Luftschiffe ihren unterbrochenen Flug fortsetzten. In die aufklingende Musik, das tausendstimmige Raunen der Plateaubesucher und das Brummen der Zeppelinrotoren mischte sich das weit entfernte Heulen einer Sirene.
    Bausch tastete nach dem Visier, klappte es hoch, deaktivierte den Videohelm und zog ihn vom Kopf. Augenblicklich erfüllte der Sirenenlärm den gesamten Raum. Er schwoll an, hielt sich für 30 Sekunden knapp unter der Schmerzgrenze und flaute wieder ab. Ehe der Alarm gänzlich verhallt war, heulten die Sirenen simultan erneut auf.
    Als Bausch sich verwirrt umsah, stellte er fest, dass der Boden zu seinen Füßen fast knöcheltief unter Wasser stand. Dass so dicht unter der Oberfläche Grundwasser in die Gondel eindrang, obwohl die Brunnen in den nahen Plantagen fast neunzig Meter tief dafür gebohrt werden mussten, konnte sich Bausch kaum vorstellen. Unter dem Haus musste eine Wasserleitung geplatzt sein. Was ihn mehr verwunderte als das Wasser selbst, war, dass es im Zwielicht der Gondel unmerklich zu glühen schien, als wäre ihm eine schwach phosphoreszierende Substanz beigemischt.
    Bausch sprang auf, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht und fiel vornüber auf den überfluteten Boden. Dabei erkannte er, dass es nicht das Wasser war, welches leuchtete, sondern ein in ihm treibendes, kaum wahrnehmbares Geflecht hauchdünner Fäden und Fasern, so fein wie Spinnenseide. Eine Art lumineszierende Alge oder ein leuchtender Süßwasserpilz?
    Als hätte das Wasser nur darauf gewartet, von Bausch entlarvt zu werden, begann es sich plötzlich wie auf ein geheimes Kommando hin zurückzuziehen. Lautlos versickerte es in den Rissen und Spalten des maroden Gondelbodens. Nach wenigen Sekunden zeugte von seiner Anwesenheit nur noch ein feuchter Film auf dem Metall.
    Erneut heulten die Sirenen auf. Fluchend kämpfte sich Bausch wieder auf die Beine, taumelte aus der Steuergondel und stürmte die Treppe hinauf in die Wohnebene. Oben angekommen, schlug ihm der Alarmton mit voller Lautstärke entgegen. Einer der Sirenenmasten stand nur zehn Schritte von seinem Haus entfernt. Draußen auf der Straße herrschte Tumult. Sämtliche Dorfbewohner schienen auf den Beinen zu sein und schrien durcheinander, Frauen und Kinder am lautesten. Als Bausch ebenfalls aus dem Haus lief, um dem

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