Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
Bequemlichkeit sie gestern Abend noch genossen hatte, zog die nach Palmwein stinkenden Decken über ihren Kopf und weinte still vor sich hin …
     
    Das Mädchen in dem Labyrinth aus Straßen und Gassen zu finden, stellte für Ben kein wirkliches Problem dar. Er brauchte einfach nur Miras metaphysischer Fährte zu folgen – der Spur aus Gedanken und Gefühlen, die sie auf ihrem Weg hinterlassen hatte. Überrascht war er jedoch, als er sie nicht wie erhofft zu Hause antraf, sondern ihre bis dahin sehr lineare empathische Fährte sich im Zickzack wieder davon entfernte.
    Schließlich spürte er sie in einem Gebäude auf, das er aufgrund seines Aussehens und des Geruches, der ihm aus dem Eingang entgegenschlug, zunächst für eine Taverne hielt. Erst als er es betreten hatte, erkannte er, dass es ebenfalls nur ein Wohnhaus war – wenn auch ein ungewöhnliches, das zu einem Großteil aus einer alten, überdachten Zeppelingondel bestand.
    Der Raum, in dem er Mira schließlich vorfand, war gänzlich erfüllt von Traurigkeit. Als er näher trat, übersah er im Zwielicht eine auf dem Boden liegende Flasche, worauf diese verräterisch laut über den Holzboden kullerte. Benoît spürte, wie das Mädchen unter den Decken erschrocken den Atem anhielt.
    »Ich bin es nur«, beruhigte er sie. Augenblicklich fühlte er Miras Erleichterung, gefolgt von einer Welle des Unmuts – ihrer Verärgerung darüber, von ihm gefunden worden zu sein.
    »Geh weg«, brummte sie unter den Decken. »Lass mich in Ruhe.«
    »Willst du das wirklich?«, fragte Ben.
    Mira schwieg. Ben seufzte, setzte sich zu ihr auf das Sofa und wartete. Sie blieb lange stumm und nahezu reglos liegen. Nur hin und wieder erreichte ein verhaltenes Schniefen Bens Ohren.
    »Sie sind alle tot«, drang schließlich ihr gedämpftes Schluchzen durch die Decken.
    Ben legte eine Hand auf die Stelle, an der er ihre Schulter vermutete. »Das kannst du nicht wissen.«
    Mira zog die Decken von ihrem Kopf und drehte sich herum. »Kannst du es?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Nein, Mira«, gestand Ben. »Tut mir leid.«
    Das Mädchen nickte gedankenverloren. »Aber du kannst es fühlen, nicht wahr?«
    Ben zuckte die Schultern und sah sich um.
    »Sag mir, was du fühlst«, bat Mira. »Irgendetwas muss doch von meinem Vater und all den anderen Menschen übrig geblieben sein …«
    »Ein großes Durcheinander«, sagte Ben. »Viel Verwirrung und viel Angst.« Er erhob sich und hielt Mira auffordernd die Hand hin. »Wollen wir gehen?«, fragte er. »Die anderen warten schon auf uns.«
     
    Während sie auf dem Rückweg erneut am Haus ihres Vaters vorbeikamen, nutzte Mira die Gelegenheit, um noch einmal im Inneren zu verschwinden. Als sie nach kurzer Zeit wieder auftauchte, trug sie ihren vollgepackten Jagdrucksack bei sich. Der Saum eines erdfarbenen Kleides schaute daraus hervor.
    »Hast du alles?«, lächelte Ben.
    Mira verzog den Mund und zuckte nur mit den Schultern. Nachdem sie auf dem Marktplatz zu Jiril, Dr. Gayot und dem reaktivierten Delius gestoßen waren, teilte Ben nach einer kurzen Lagebesprechung drei Handfeuerwaffen und Magazine mit Ersatzmunition aus.
    »Delius wird hier bei dir bleiben«, erklärte Ben auf Miras fragenden Blick hin, nachdem er seine eigene Waffe verstaut hatte. »Solange wir weg sind, ist er für dich eine bessere Lebensversicherung als jede Pistole.«
    Mira runzelte die Stirn, griff in ihren Rucksack und zog etwas daraus hervor, das sie stolz in die Luft hob.
    »Eine Steinschleuder?«, grinste Jiril mitleidig, als er die Zwille sah. »Na, das passt ja zu euch. Warum nicht gleich Pfeil und Bogen?«
    Kommentarlos fischte Mira einen Stein aus ihrem Mantel, legte ihn in die Ledertasche, stand auf, zielte auf die fast einhundert Meter vom Rigger entfernt hängende Marktglocke, spannte die Schleuder und schoss. Es war eine fließende Bewegung, die nicht einmal zwei Sekunden dauerte. Der Stein zischte über den Versammlungsplatz und traf sein Ziel, worauf ein einzelner heller Glockenschlag über den Platz geisterte.
    »Wow!«, war alles, was Jiril einfiel, nachdem er eine halbe Minute lang mit offenem Mund auf die langsam auspendelnde Glocke gestarrt hatte.
    Ben schenkte dem Mädchen einen anerkennenden Blick. »Na, dann pass gut auf Delius auf«, sagte er, bevor er mit dem Doktor und Jiril aufbrach, um das Dorf nach Überlebenden abzusuchen.
    Mira erwartete, von irgendwoher plötzlich Schüsse peitschen zu hören, doch es blieb weiterhin gespenstisch still in

Weitere Kostenlose Bücher