Das Aktmodell
oberste Näherin an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt. Vor sich hin murmelnd steckt sie die Rückseite meines Kleids erneut mit Nadeln fest und versucht dabei meine Taille besonders zu betonen. Eine junge Frau solle eine ihrem Alter entsprechende Taille haben, erklärt sie mir. Mein Lachen reißt die Nähte erneut auf.
“
Alors
, Mademoiselle, ich muss leider darauf bestehen, dass Ihr das Ding entfernt … das Kleidungsstück über Eurem Busen”, befiehlt mit die Näherin.
“Wieso das denn, Madame?”, frage ich. Zu meinem Unwillen habe ich entdeckt, dass die Frauen dieser Zeit sich in eine Rüstung von ca. vierzig Pfund schmeißen, bestehend aus allerlei Korsagen, Unterröcken und diversen Gürteln aus Satin und Samt. Und diese Frau möchte, dass ich meinen seidenen Büstenhalter entferne?
Die Frau seufzt. “Er ist im Weg, wenn ich versuche, Euer Kleid festzustecken.”
Jetzt winkt sie einer jungen Frau, die uns die ganze Zeit schon neugierig beobachtet hat. “Madame Sardon, Ihr seid die Spezialistin mit Korsagen, könnt Ihr uns bitte helfen! Ich kann dieses Kleid nicht abstecken ohne die passende Wäsche untendrunter.”
Die junge Frau trägt schlichte Kleidung, aber trotzdem wirkt sie irgendwie anders als die anderen Verkäuferinnen. Als sie aus dem Salon auf uns zukommt, lächelt sie mich freundlich an. Und ich grinse zurück.
“Mademoiselle Maguire,
s’il vous plaît”
, sagt die Näherin. “Monsieur le duc wird bald hier sein, und wenn er herausfindet, dass Euer Kleid nicht fertig ist … oh, ich will mir nicht vorstellen, was dann los ist.”
Ich auch nicht. Auf keinen Fall will ich dem Duke eine Entschuldigung dafür geben, seine schmutzigen Hände auf mich zu legen und meine Brüste zu berühren.
“Na gut, Madame.”
Ich streife den Büstenhalter über die Schultern, sodass meine Brüste über das Korsett quellen, und überreiche den BH der
Corsetière
, die ihre Finger darübergleiten lässt und ihn genauestens studiert.
“Interessant … und praktisch”, sagt die
Corsetière.
“Ist das ein Design aus unserem Haus?”
“
Non
, Mademoiselle Sardon. Ich nenne es ein
brassière.”
Lächelnd überlasse ich es den Damen, herauszufinden, was das bedeutet.
“
S’il vous plaît
, Madame, darf ich dieses Teil mitnehmen in mein Geschäft auf der Rue Cambon, um es mir dort genauer anzusehen?”
Meinen Büstenhalter? Ich frage mich …
“Wie Ihr wollt, Mademoiselle Sardon, aber zunächst müssen wir diese Robe zu Ende bringen.”
Wieselflink machen sich die beiden Damen über das Kleid her, ziehen alle Nadeln heraus, und es fällt auf den Boden. Nur mit einem pinkfarbenen Korsett bekleidet, stehe ich auf der Plattform, dazu trage ich dunkelrosafarbene Schnürstiefelchen und passende Strümpfe.
Ein anderes Mädchen hüllt mich in einen pinkfarbenen Umhang, aber ich kann nicht an mich halten und muss ständig kichern. War mein Büstenhalter die Inspiration für den ersten BH? Belustigt schüttle ich meinen Kopf und lache so laut, dass mir die Tränen kommen.
Was für eine seltsame Wendung meines Abenteuers, denke ich, erfreut darüber, etwas gefunden zu haben, was mich erheitert. Erschöpft lasse ich mich auf den Damastsessel fallen und nasche an pinkfarbenen Vanille-Sorbet-Keksen, die mir gereicht werden.
Wie lange habe ich hier schon gestanden? Es kommt mir wie Stunden vor, und ich bin erleichtert, dass mich der Duke wenigstens hier allein lässt.
Ich weigere mich, darüber nachzudenken, wie seine Finger meine Möse erkunden, um den festen Rand meiner Klit streichen, seine Lippen über meine Haut gleiten, als ob ich seine persönliche Sklavin sei. Jede Zelle meines Geists und Körpers wehrt sich dagegen, mich ihm total zu unterwerfen.
Stattdessen denke ich lieber an meine wunderschöne Liebe zu Paul. Wie er versucht hat mich zu beschützen, seine Stärke, seine Furchtlosigkeit.
Als der Duke eine Pistole auf ihn richtete, hatte ich keine andere Wahl. Ich
musste
mit dem Engländer gehen, um Paul zu retten.
Die Ironie des Schicksals will es so, dass ich meinen zauberhaften Körper dem Duke hingebe, und auf eine seltsame, humorvolle Weise erlaube ich mir eine kleine Schwäche und denke, dass es ihm recht geschehen würde, wenn ich genau in dem Moment verschwände, in dem er in mich stoßen will.
Aber trotzdem werde ich Paul nicht mehr wiedersehen. Ich denke daran, wenn ich nachts im Dunkeln wach liege, in dem exklusiven Appartement des Duke in der Rue Chalgrin. Nur eine
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