Das Alabastergrab
im Sack gehabt.
Jedenfalls hat er das in jedem Vorstand rumerzählt, der es hören wollte oder
auch nicht. Die meisten haben es natürlich als bloße Angeberei abgetan, aber
ich glaub, da war was dran. Auf jeden Fall war der Rast größenwahnsinnig, wenn
du mich fragst. Wer zum Schwert greift, na ja, du weißt schon.«
Mit diesen Bemerkungen blinzelte er ihm zu und ging wieder in den
Gastraum, den der letzte Prüfling gerade verlassen hatte. Der Angelschüler
schaute Lagerfeld an, Lagerfeld erwiderte seinen Blick, aber die Freude des
Wiedersehens war eher beschränkt.
Mit einer unglaublichen Schnelligkeit spurtete der Mann Richtung
Tür. Obwohl Lagerfeld nicht der Langsamste war, kam er nicht hinterher. Zwar
lag der Spezi-Keller auf Höhe der alten Sternwarte, von der es nur bergab ging,
trotzdem verlor er seinen Freund schließlich aus dem Blick. Der Mann mit der
Narbe war in einen schmalen Weg eingebogen, der in den Wald führte.
Lagerfeld atmete schwer und hielt es für das Beste, erst mal seinen
Chef anzurufen.
*
Haderlein nahm das Gespräch entgegen und hörte sich interessiert an,
was Lagerfeld ihm zu erzählen hatte.
»Gut gemacht, Herr Kollege«, lobte er ihn. »Das sind ja ganz neue
Aspekte. Aber so etwas hatte ich mir beinah schon gedacht. Jetzt reg dich erst
mal wieder ab. Den Burschen kriegen wir schon noch. Ich würde vorschlagen, wir
hauen uns jetzt erst mal alle ins Bett und treffen uns morgen früh wieder in
aller Frische auf der Dienststelle. Dann erstatten wir Fidibus Bericht und
überlegen, wie es weitergeht. Ich gehe jetzt nach Hause, und du solltest das
auch tun. Heute passiert eh nichts mehr.« Er verabschiedete sich von Lagerfeld
und steckte das Handy zurück in seine Tasche.
Mit seiner letzten Annahme sollte Kriminalhauptkommissar Haderlein
allerdings total danebenliegen.
*
Als Siebenstädter bei der Gerichtsmedizin eintraf, stand der
schwarze Wagen des Bestattungsunternehmens schon wartend vor der Tür. »Das
hätte also nicht bis morgen Zeit gehabt, oder wie?«, maulte der Pathologe den
armen Mann an, der soeben die Heckklappe öffnete. Im Wagen lagen zwei »Pakete«,
wie er sich gerne ausdrückte. Missmutig holte Siebenstädter von drinnen einen
Rolltisch aus Edelstahl und hievte mit Hilfe des Fahrers die beiden schwarzen
Leichensäcke darauf.
Dann schickte er den Wagen weg und schob seine Fracht in den
Sezierraum. Er drapierte die »Pakete« auf je einen Edelstahltisch, öffnete die
Säcke und speicherte beim ersten Anblick bereits ungerührt erste Fakten ab. Die
weibliche Leiche hatte eine Schusswunde in der Stirn, der Projektilaustritt war
am Hinterkopf erfolgt. Er öffnete den Reißverschluss bis zu den Füßen, zog ihn
aber gleich wieder angewidert bis auf Kehlkopfhöhe zu. Was für ein unförmiger,
älterer Frauenkörper! Da hatte er aber schon weitaus Hübscheres hier liegen
gehabt. Das musste er sich heute nicht mehr geben. Er ging zur anderen Person
hinüber. Männliche Leiche mit Schussverletzung am Genickansatz und
Projektilaustritt an der Nasenwurzel. Das Gesicht sah aus, als hätte jemand von
innen den Wangenknochen weggesprengt. Seufzend schloss Siebenstädter den Sack
und schob den Toten namens Büttner ins Kühlfach Nummer zehn. Als er die
Frauenleiche ins Kühlfach Numero elf schieben wollte, hielt er plötzlich inne.
Er legte seine Stirn in Falten und öffnete den Sack erneut, um das
Einschussloch auf der Stirn der Frau genauer zu betrachten. Hatte er’s doch
gewusst. Erneut überflog er das Datenblatt der Leiche. Aus Hof kamen die beiden
also. Sehr merkwürdig und genau deswegen interessant.
Eilends ging er zum Kühlfach Nummer sieben und holte die verbrannten
Knochen einer männlichen Person hervor, die ihm Haderlein geschickt hatte. An
dem verkohlten Skelett war wirklich nicht mehr viel zu erkennen, jedoch schien
das arme Schwein den gleichen Tod erlitten zu haben wie die beiden Neuen.
Siebenstädter schaltete die große Sezierlampe ein und beugte sich über den
Schädel. Tatsächlich, genau das Gleiche. Sicherheitshalber holte er noch eine
hochpräzise Schieblehre aus dem Schubfach und überprüfte seine Annahme.
»Heureka!«, rief er so laut, dass es im Raum hallte, und klopfte
sich selbst auf die Schulter. Wieder so ein armer Irrer, der glaubte, er sei
schlauer als er. Das Negative an seinem Befund war leider die Tatsache, dass er
schon wieder mit diesem proletarischen Kommissar reden musste. Allerdings würde
er diesmal das Kriminalistengesindel
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