Das Albtraumreich des Edward Moon
einem Kind, und obwohl sich mir vor Zorn die Nackenhaare
sträubten, entschied ich mich fürs erste, seine Unverschämtheit durchgehen zu
lassen.
»Sie sind ein Teil dieser Lösung«, sagte ich mit
Bedacht. »Es hat einen Grund, weshalb ich Sie herbestellt habe.«
»Ich kam aus eigenem Entschluss hierher. Sie
hatten nichts damit zu tun.«
Ich gestehe es: ich war unfähig, angesichts seiner
Ahnungslosigkeit ein leises Jauchzen zu unterdrücken (obwohl ich glaube, dass
es mir recht gut gelang, es hinter einem leichten Hüsteln zu verbergen). »Nein,
nein«, korrigierte ich ihn sanft, »
ich
habe Sie hierhergebracht.«
Drei Personen warteten an der Balkontür auf ihr
Stichwort. Jetzt winkte ich sie herein.
Mister Clemence. Mrs Honeyman.
Thomas Cribb.
»Ich legte die Fährten, Edward, und Sie folgten
ihnen genau so wie erwartet.«
Etwas wie Furcht huschte über sein Gesicht, als
die letzten Teile des Puzzles an ihren Platz gedrückt wurden. Selbstverständlich
kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass es dieser Moment war, in dem Moon die
schiere Größenordnung der Falle erfasste, in die er so raffiniert gelockt
worden war; doch fraglos schien er mir fürs erste herrlich gebrochen, und als
ich ihm dabei zusah, wie er versuchte, mit den Dimensionen seines Scheiterns
zurande zu kommen, fand ich es beinahe unmöglich, nicht laut zu lachen.
Ungeachtet dessen, was Sie denken mögen, bin ich
beileibe nicht frei von jeglichem Mitgefühl. Moon hatte soeben einen beträchtlichen
Schock erlitten, und selbst der Schlafwandler – der Mann mit dem
steinernen Gesicht, dem Osterinselantlitz – wirkte auf meine beiläufigen
Enthüllungen hin wie vom Donner gerührt.
Ich entließ Cribb, Charlotte und die anderen und
führte meine Gäste in meine bescheidenen Privaträume, wo ich ihnen Speis und
Trank anbot und versprach, ihnen alles zu erklären, sobald sie bereit dazu
wären. Der Schlafwandler war augenscheinlich dankbar für den Imbiss, Moon
hingegen lehnte rüde ab. Er stieß den Teller zur Seite und verkündete
ungeduldig und gereizt: »Ich habe einige Fragen.«
»Was wir hier aufbauen«, sagte ich, »ist die
Zukunft. Eine neue Gemeinschaft, inspiriert vom Traum der Pantisokratie.«
»Und inwiefern macht es dieser Traum erforderlich
zu morden?«
»Mein Gewissen ist völlig rein. Was ich mache,
mache ich für die Armen und Imstichgelassenen in dieser unserer großartigen
Stadt – für die Bedürftigen, die hart am Abgrund existieren, wohin sie
durch Umstände gedrängt wurden, an denen sie keine Schuld trifft. Für die
Menschen am Rande der Gesellschaft, wenn Sie so wollen, die Ausgegrenzten, die
Fußnoten des Lebens. Für die Sanftmütigen, Mister Moon – die Sanftmütigen,
die das Land erben werden, wie es in den Psalmen steht.«
»Männer wie Speight.«
»Ganz recht.«
Er klang wütend: »Aber der Speight, den ich letzte
Woche sah, war nicht der Mann, den ich früher kannte!«
Ich versuchte, es ihm begreiflich zu machen. »Er
hat sich verändert. Er fand eine bessere Art zu leben.«
»Was immer Sie mit ihm angestellt haben, dasselbe
haben Sie mit meiner Schwester getan!«
»Sie kam aus eigenem Willen zu uns. Als sie
erkannte, dass sie ihr bisheriges Dasein in Finsternis verbracht hatte, führte
Love
sie ins Licht. Unser einziger Wunsch ist es, unser Leben nach den Grundsätzen
der Pantisokratie auszurichten, und wir sind schon nahe daran, unseren Traum
wahrzumachen. Wie viele Männer in der Menschheitsgeschichte konnten das von
sich sagen? Wir werden das Paradies auf Erden errichten, Mister Moon. Warum
beharren Sie darauf, sich uns entgegenzustellen?«
»Weil Sie gemordet, betrogen und verführt haben!
Weil Sie ein Versager sind, dessen krankhafter Geist sich vormacht, die Welt
nach seiner eigenen Vorstellung neu erschaffen zu können!«
Die harschen Worte nagten ein wenig an mir, und
Moon nutzte seinen augenblicklichen Vorteil aus. »Sie ließen Barabbas
umbringen!«
»Wir forderten ihn auf, sich uns anzuschließen.«
»Sich Ihnen anzuschließen? Wo im Paradies ist denn
Platz für einen Mörder?«
»Sie hielten ihn doch nie für unverbesserlich! Und
wir auch nicht.«
»Aber er weigerte sich?«
»Anscheinend war es ihm lieber, in Finsternis zu
sterben.«
»Und Meyrick Owsley?«
»Meyrick war dort, um ihn zu bewachen. Barabbas
wusste eine Menge über unser Unternehmen.«
»Ist das der Grund, warum Sie ihn töten ließen?«
»Was uns störte, war nicht, dass er Ihnen die
Wahrheit sagte; es war
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