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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Mord! Vorstadtmime
von Turm geschleudert! Polizei steht vor einem Rätsel!
    Doch er ging so sehr auf in seiner
Innenschau, dass er die Botschaft auf dem Blatt gar nicht zur Kenntnis nahm. Er
zerknüllte das Stück Papier zu einem Ball, warf ihn über die Schulter und
trottete unglücklich weiter.

FÜNF
    Edward Moon langweilte sich.
    Seit Stunden rauchte er nun schon, ausgestreckt
auf dem Sofa in einer Ecke des Herrenzimmers, eingehüllt vom Tabakrauch, der
den ganzen Raum erfüllte – dick und atemraubend wie der gelbe Londoner
Nebel. Er gähnte und streckte träge einen Arm nach der nächsten Zigarette aus.
    Mrs Grossmith schusselte ins Zimmer, nicht mehr
als eine verschwommene Silhouette inmitten des Miefs. »Mister Moon?«, rief sie
nörgelnd, worauf er schloss, dass sie in gewohnt missbilligender Körperhaltung
und die Hände in die Hüften gestemmt stehengeblieben war. Die Luft war zwar zu
undurchdringlich, um sich dessen ganz sicher zu sein, aber Moon hielt es für
das Wahrscheinlichste. »Ist Ihnen schon wieder langweilig?«
    »Ich fürchte, ja.« Er zündete die Zigarette an und
ließ sich wieder zurücksinken.
    »Sie kriegen Langeweile«, sagte seine Haushälterin
streng, »wie andere Männer den Tripper!«
    Was Moon mit einem schmallippigen Lächeln
quittierte. »Sehr witzig.«
    »Sie müssen das Rauchen hier drinnen einstellen,
Mister Moon! In Anbetracht des Umstands, dass wir in einer Wohnung ohne Fenster
leben, weigere ich mich, es noch eine Minute länger zu ertragen! Sie vergiften
uns ja noch alle, wenn Sie so weitermachen! Sie sind eine wahre Gefahr für Leib
und Leben!«
    Ihr Dienstherr blies einen langen grauen
Rauchschwall vor sich her. »Sie sind nicht die erste Person, von der ich das zu
hören bekomme. Aber ich muss zugeben, aus Ihrem Munde schmerzt es ein wenig
mehr.«
    »Seien Sie doch vernünftig.«
    Kleinlaut drückte er den Rest der Zigarette aus
und stand auf. »Sie haben ja zweifellos recht. Außerdem denke ich, es ist wohl
die Langeweile selbst, die mich anödet.«
    Mrs Grossmith schnaubte abfällig. »Sie sind
unmöglich, wenn Sie in dieser Stimmung sind.«
    »Und Sie sind eine Heilige, weil Sie es mit mir
aushalten.«
    »Können Sie nicht ausgehen? Machen Sie doch einen
Spaziergang! Zum Frische-Luft-Schnappen!«
    Moon schien nicht überzeugt, aber Mrs Grossmith
blieb fest: »Es würde Ihnen bestimmt gut tun! Diese Atmosphäre hier kann
einfach nicht gesund sein!« Sie unterstrich ihre Worte mit einem rasselnden,
melodramatischen Hustenanfall.
    »Vielleicht gehe ich für eine Weile aus.«
    Mrs Grossmith klang versöhnlich: »Sie können nicht
erwarten, dass Ihnen jede Woche irgendeinen geheimnisvollen Kriminalfall
beschert.«
    »Ach nein?« Moon wirkte enttäuscht, wie ein Kind
zu Weihnachten, wenn es im Strumpf nur einen Groschen und eine angeschimmelte
Orange findet. »Wissen Sie, ich sehne mich nach einer Welt, in der das
Verbrechen so alltäglich ist, dass ich immer etwas zu tun habe.«
    »Ein seltsamer Wunsch.«
    Er seufzte. »Nicht, dass die Bösewichter
heutzutage das wären, was sie einmal waren. Die Ära des wahrhaft großen
Verbrechers ist Vergangenheit. Seit Barabbas … Mittelmäßigkeit, Mrs
Grossmith, Mittelmäßigkeit, so weit das Auge reicht. Ein Beispiel dazu:
erinnern Sie sich an den Räuber, den der Schlafwandler und ich vor etwa zwei
Jahren jagten? Der Mann, der geplant hatte, sich in die Bank von England
durchzugraben, und stattdessen im Abwasserkanal landete?«
    »Ich erinnere mich an ihn, Sir.«
    »Sein Name ist mir im Moment entfallen. Wissen Sie
ihn noch?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Sehen Sie? Zu vergessen! Alle, ohne
Ausnahme – zu vergessen!«
    Mrs Grossmith zwang ein Lächeln auf ihre Lippen.
»Die Langeweile wird vorbeigehen, Sir. Das tut sie doch immer.«
    »Ja«, flüsterte Moon in sich hinein. »Ich kenne
das Mittel dagegen.«
    »Also machen Sie einen Spaziergang?«
    »Ganz recht. Einen Spaziergang.«
    Moon ging aus dem Zimmer, und Mrs Grossmith hörte,
wie er durchs Haus eilte.
    Hurtig lief er die versteckte Treppe hoch, vorbei
an den Rhododendren und hinaus auf die Straße.
    Der Schlafwandler schlenderte geruhsam von der
Küche herüber, einen gewaltigen Krug voll Milch in der Rechten. Er sah die
Haushälterin an und machte eine fragende Gebärde mit der freien Hand.
    »Wohin er gegangen ist?«, fragte sie. »Ist es das,
was Sie meinen?«
    Der Riese nickte ernst.
    Sie seufzte. »Ich glaube, die Antwort darauf
kennen wir beide.«
    Der

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