Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
Vom Netzwerk:
ging das Thema vorsichtig
an. »Gibt es da irgendeine Bewegung?«
    »Die Ochrana ist rührig am Werken«, sagte Dedlock
so leichthin und unaufgeregt, als würde er mit seinem Lieblingsspieler über die
Mannschaftstaktik plaudern. »In letzter Zeit sind sie tollkühn geworden.
Irgendetwas hat ihre Agenten aufgescheucht. Wir vermuten, dass sie von der
Verschwörung Wind bekommen haben. Vielleicht verfügen sie über eine eigene
Innocenti.«
    Skimpole trommelte nachdenklich mit den Fingern
auf die Tischplatte. »Agenten?«, fragte er. »Ich nehme an, damit meinst du
Anarchisten

    »Oh, das hoffe ich denn doch nicht! Ich habe bis
an mein Lebensende genug von Männern, die mir oben am Embankment auf die Nerven
fallen. Den letzten musste ich von der Straße kratzen. Kleine Stückchen von ihm
steckten zwischen den Pflastersteinen fest. Außerdem sind es nicht diejenigen,
die sie uns herüberschicken, denen unsere Sorge gilt.«
    »Ach nein?«
    »Wir wissen, wer sie sind. Sobald sie den Fuß in
die Stadt setzen, können wir jede ihrer Bewegungen verfolgen. Unser größtes
Problem sind die Schläfer.«
    »Welche Schläfer?«
    »Die Russen haben ihre Agenten im ganzen Land
verteilt. Sie leben jahrelang hier, ohne aufzufallen. Ich wünschte wirklich, du
würdest die Akten lesen!«
    Skimpole ignorierte den Vorwurf. »Weiß die
Ochrana, dass man uns mit einbezogen hat?«
    Dedlock wandte den Blick ab. »Sieht ganz so aus.«
    »Und wie konnte das passieren?«
    Dedlock murmelte etwas von einem Versehen.
    »Dann könnten wir in Schwierigkeiten stecken.«
    »Ich weiß«, nickte er, worauf eine Minute düsteres
Schweigen herrschte. Dann ergriff Dedlock ungeachtet des Gesagten fröhlich
wieder das Wort: »Übrigens, diese Bagshaw – hat Moon etwas aus ihr
herausbekommen, bevor alles vorüber war?«
    »Nur ein paar Worte, deren volle Bedeutung, da bin
ich ganz sicher, er nicht versteht. Sie sprach von der Verschwörung und sagte
Moon, dass er benutzt würde – als ob er das nicht schon längst wüsste!«
    Dedlock fing an, seine Papiere zusammenzuschieben.
»Sonst noch etwas?«
    Skimpole nahm einen Schluck von seinem
Whisky – einen größeren diesmal, der ihm eine trunkene, honigsüße Woge der
Sinnenfreude bescherte. »Sie erklärte, es blieben uns zehn Tage. Heute sind
noch vier davon übrig.«
    Dedlock verzog das Gesicht.
    »Sie sagte noch etwas …«
    »Und was?«
    »Gefahr«, sagte Skimpole. »Gefahr im Untergrund.«
    Meyrick Owsley bemühte sich nach
Kräften, den schrillen, leiernden Monolog zu überhören, der durch den Korridor
hallte, und klopfte an die Zellentür eines Mörders – so artig und
schüchtern wie ein Botenjunge, der bei einem eleganten Landhaus ein Telegramm,
ein Hochzeitsgeschenk oder einen teuren Blumenstrauß abzuliefern hat. Barabbas’
Stimme antwortete ihm – keuchend, krank, klebrig vor Verworfenheit.
»Meyrick?«
    Owsleys Gesicht war so ausdruckslos wie die Masken
in einer griechischen Tragödie. »Ich bin hier, Sir.«
    »Wird mir noch ein Mal vergeben?«
    »Selbstverständlich, Sir.«
    Eine Pause, ein Schnüffeln, und dann: »Gott sei
Dank.« Owsley vernahm etwas, das sich anhörte wie ein Schluchzen. »Es war nur
ein kleiner Zank, nicht wahr? Nur dummes Zeugt«
    »Ganz recht, Sir. Ein kleiner Zank, Sir. Hatte
nichts zu bedeuten.«
    Ein erleichterter Seufzer. »Gut.«
    »Sir?«
    Keine Antwort – nur der Zellennachbar stimmte
wieder seinen Lieblingspsalm an.
    »Sir, Sie haben Besuch.«
    Ein plötzliches Regen in der Zelle, das Geräusch
schlurfender Schritte, und Barabbas tauchte an der Tür auf, das aufgedunsene
Krötengesicht von den Gitterstäben in käseweiße Abschnitte geteilt. »Edward?«
Ein widerwärtiger Gestank entströmte seinem Mund.
    »Er ist hier bei mir«, sagte Owsley ruhig. »Er
möchte mit Ihnen sprechen. Gehen Sie einen Schritt zurück, Sir, ich lasse ihn
eintreten.«
    Als er das Klappern der Schlüssel und das
spöttische Knarren der Tür hörte, ließ sich Barabbas zu Boden fallen und kauerte
sich in eine Ecke seiner winzigkleinen Welt. Jemand trat ein, die Tür schloss
sich mit einem lauten metallischen Scheppern wieder, und als der Gefangene
aufsah, erblickte er nicht eine, sondern zwei Gestalten vor sich im Halbdunkel.
    »Edward?«, murmelte er wieder.
    »Ich bin hier.« Die Stimme klang fest und nicht
ohne Mitgefühl, jedoch unterlegt mit dem Anflug einer billigen Genugtuung, den
anderen in einem so verkommenen Zustand zu sehen.
    »Edward? Wer ist das?«
    Moon tat

Weitere Kostenlose Bücher