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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Moon mit ätzendem
Unterton in der Stimme ein, »aber als ich Ihre Frau zuletzt sah, wirkte sie auf
mich nicht so, als wäre sie anfällig dafür, sich selbst körperlichen Schaden
zuzufügen. Ebensowenig schien sie sich vor Trauer über den Verlust ihres Sohnes
zu verzehren, vielmehr ließ ihr Verhalten eher auf Erleichterung schließen,
einen lästigen Anhang los zu sein.«
    Honeyman wandte sich an den Inspektor. »Das ist
einfach unerhört! Erwartet man von mir tatsächlich, dazustehen und mich in
meinem eigenen Heim von diesem blutigen Amateur beleidigen zu lassen?«
    Aber Moon ließ nicht locker. »Glauben Sie mir«,
fuhr er fort, »Ihre Frau hatte nichts Selbstzerstörerisches an sich!«
    »Können Sie uns sagen, Sir«, übernahm Merryweather
hastig; er klang beinahe komisch mit seiner rücksichtsvollen Höflichkeit, »ob
Ihre Gemahlin vor ihrem Verschwinden ein in irgendeiner Weise merkwürdiges
Gebaren an den Tag legte? Gab es etwas, das man als ungewöhnlich oder nicht
ihrer Natur entsprechend bezeichnen könnte?«
    »In letzter Zeit ging sie noch mehr als zuvor in
ihrer Tätigkeit für die Kirche auf. Sie ist erfüllt von tiefster Menschenliebe.
Und äußerst fromm.«
    »Kirche?«, wiederholte Merryweather. »Können Sie
uns den Namen dieser Kirche nennen, Sir?«
    »Eher ein Wohltätigkeitsverein, denke ich, wenn
man genau sein will. Irgendwo in der Stadt. Ich bin natürlich vollauf zufrieden
mit unserer kleinen Pfarrkirche hier, aber meine Frau nahm diese Dinge immer
schon weitaus ernster als ich. Und in diesen neuen Verein war sie ganz
vernarrt. Weiß der Himmel, warum.«
    »Der Name dieser Kirche, Sir.«
    Honeyman räusperte sich verlegen. »Ich fürchte,
den müsste ich erst heraussuchen.«
    Merryweather schenkte dem Mann sein bewährtestes
Routinelächeln. »Wir warten gern so lange, Sir.«
    Leise vor sich hinmurmelnd, trottete Honeyman aus
dem Zimmer.
    »Inspektor?«, sagte Moon argwöhnisch. »Wissen Sie
mehr als ich?«
    Merryweather war unfähig, seine Freude zu
verbergen. »Es kommt selten vor, Mister Moon, dass ich Ihnen eine Nasenlänge
voraus bin. Aber diesmal, denke ich, ist es mir gelungen!«
    »Sagen Sie es mir!«, befahl Moon. »Auf der
Stelle!«
    »Nur Geduld.«
    Bevor es Moon noch gelang, aufzuspringen, kehrte
Honeyman zurück. Er schwang ein Bündel Papiere in der Hand. »Wie ich sagte. Es
ist ein karitativer Verein. Missionare, würde ich meinen. Etwas in dieser Art.«
    »Der Name?« Merryweather griff nach seinem
Notizbuch.
    »Hier haben wir es gleich.« Honeyman blätterte
ziellos durch seine Papiere, bis er auf die gewünschte Information stieß. »Die
Kirche des Sommerkönigreichs.« Er rümpfte die Nase. »Lächerlicher Name. Denken
Sie, er könnte von Bedeutung sein?«
    Merryweather schrieb hastig in sein Büchlein.
»Jawohl, Sir. Ich denke, das könnte er tatsächlich sein.«
    Sie verließen Honeyman mit dem
Versprechen, ihn über den Fortgang der Ermittlungen genauestens auf dem
laufenden zu halten, und schlenderten hinaus in die parkähnliche Anlage, wo der
Schlafwandler am Fischteich stand und einem Gärtner lauschte, der ihm einen
offensichtlich fesselnden Vortrag über fachgerechten Baumschnitt hielt. Der
Riese empfing sie mit einem fragenden Blick.
    »Es gibt etwas, das mir der Inspektor vorenthält«,
beklagte sich Moon.
    »Warten Sie, bis wir in der Droschke sind. Dann
werde ich Ihnen alles erklären.«
    Aber sie hatten schon mehr als den halben Rückweg
in die Stadt zurückgelegt, bis Merryweather endlich mit den Neuigkeiten
herausrückte.
    »Erinnern Sie sich an Dunbar?«, begann
er, während sich die Droschke mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch das
Verkehrsgedränge auf den Straßen schlängelte. »Das zweite Opfer des
Fliegenmenschen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Es sieht so aus, als wäre seine Mutter etwa zum
gleichen Zeitpunkt verschwunden wie Mrs Honeyman.«
    »Aha.« Moon klang leicht enttäuscht.
    »Warten Sie, Mister Moon, warten Sie! Das
Interessante kommt erst!«
    »Lassen Sie mich raten«, unterbrach ihn der
Detektiv rasch. »Auch sie war Mitglied dieser Gruppe von
Menschenfreunden – der Kirche des Sommerkönigreichs?«
    Entzückt klatschte Merryweather in die Hände.
»Genau! Genau!«
    »Nun denn, so haben wir anscheinend doch noch eine
neue Spur im Mordfall Cyril Honeyman.«
    Das Direktorium.
    Der Name hatte Skimpole immer schon missfallen. Er
fand ihn hochtönend, überzogen und theatralisch. Aber er stammte ja auch aus
den Gründungstagen der

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