Das Alexandria-Komplott
Geometrie. Dionysius ordnete die Grammatik zu einem übergreifenden System und publizierte seine Kunst der Grammatik, die zum Modell für alle gesprochenen und geschriebenen Sprachen wurde. Diese Männer und Tausende anderer schrieben über ihre epochalen Erkenntnisse und veröffentlichten sie in der Bibliothek.«
»Das klingt fast, als wäre es so etwas wie eine Universität gewesen«, stellte Pitt fest.
»Ganz recht. Beides zusammen, Bibliothek und Museum, wurde als eine Art Universität der hellenistischen Welt angesehen. Die ungeheuer weitläufigen Hallen aus weißem Marmor bargen Bildergalerien, in anderen waren Statuen ausgestellt; es gab Hörsäle für Dichterlesungen und Vorlesungen über nahezu jedes Thema – von der Astronomie bis zur Geologie. Den Besuchern standen auch Ruheräume und ein Speisesaal zur Verfügung; überdachte Säulengänge dienten ebenso zur inneren Sammlung wie ein Zoo und ein botanischer Garten. In zehn großen Hallen wurden die verschiedenen Manuskripte und Bücher gesammelt. Die Papyrus- oder Pergamentrollen wurden in Bronzeröhren aufbewahrt.«
»Worin besteht der Unterschied zwischen Papyrus und Pergament?« erkundigte sich Giordino.
»Papyrus ist eine tropische Pflanze. Die Ägypter fabrizierten aus ihren Stengeln ein papierähnliches Material, auf das man schreiben kann. Pergament, oder Valium, wurde aus Tierhäuten, speziell von jungen Kälbern oder Lämmern hergestellt.«
»Ist es möglich, daß diese Aufzeichnungen die Jahrhunderte überdauert haben?« fragte Pitt.
»Pergament hält normalerweise länger als Papyrus«, antwortete Rothberg. Dann sah er Pitt an. »Ob ihr Zustand noch einwandfrei ist, hängt von den Bedingungen – Luftfeuchtigkeit, Temperatur und ähnlichem – ab. Die Papyrusrollen aus ägyptischen Gräbern sind noch nach drei Jahrtausenden lesbar.«
»Dort herrscht heißes, trockenes Klima.«
»Ja.«
»Nehmen wir mal an, die Rollen wären irgendwo an der Nordküste Schwedens oder Rußlands vergraben worden.«
Nachdenklich senkte Rothberg den Kopf. »Ich nehme an, daß der Frost sie gut konserviert hat, aber im Sommer würden sie durch die Feuchtigkeit verrotten.«
Pitt dachte an die Enttäuschung, die in diesem Fall auf ihn wartete. Die Hoffnung, die Manuskripte der Bibliothek unbeschädigt auffinden zu können, wurde immer schwächer.
Lily teilte Pitts Pessimismus keineswegs. Ihr Gesicht glühte vor Erregung. »Wenn Sie Junius Venator gewesen wären, Dr. Rothberg, welche Bücher hätten Sie gerettet?«
»Eine schwierige Frage«, gab Rothberg zurück und zwinkerte ihr zu. »Ich kann nur vermuten, daß er zunächst einmal die gesamten Werke von Sophokles, Euripides, Aristoteles und Plato in Sicherheit bringen wollte. Und Homer natürlich. Homer schrieb vierundzwanzig Bücher, aber nur wenige sind bis in unsere Tage erhalten. Ich an Venators Stelle hätte versucht, so viele Bände über die griechische, etruskische, römische und ägyptische Geschichte zu retten, wie die Schiffe transportieren konnten. Besonders die Geschichte Ägyptens wäre für uns heute außerordentlich interessant, weil die ungeheure Sammlung ägyptischer Literatur sowie das gesamte Material zu Religion und Wissenschaft komplett verlorengegangen sind. Wir wissen praktisch nichts über die Etrusker, aber Claudius hat eine historische Abhandlung über sie verfaßt, die sich im Bestand der Bibliothek befunden haben muß. Ganz sicher hätte ich auch die religiösen Werke mitgenommen, die sich auf die hebräischen und christlichen Gesetze und Überlieferungen beziehen. Die Entdeckung dieser Schriftrollen würde wahrscheinlich die gesamte moderne Bibelforschung erschüttern.«
»Und die wissenschaftlichen Werke?« hakte Giordino nach.
»Das versteht sich von selbst.«
»Vergessen Sie die Kochbücher nicht«, sagte Lily.
Rothberg lachte. »Venator war bestimmt nicht dumm. Er muß von jedem Wissensgebiet etwas in Sicherheit gebracht haben – Bücher über die Kochkunst und die Haushaltsführung eingeschlossen. Für jeden etwas, könnte man sagen.«
»Ganz besonders die geologischen Daten des Altertums«, meinte Pitt.
»Diese vor allen Dingen«, pflichtete ihm Rothberg bei.
»Ist etwas über seine Persönlichkeit überliefert?« fragte Lily.
»Über Venators?«
»Ja.«
»Er war ein bekannter Gelehrter seiner Zeit. Ein berühmter Lehrer, der von einem der großen Ausbildungszentren in Athen abgeworben wurde, um zum letzten der prominenten Kuratoren der Bibliothek von
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