Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
fühlten sich klamm an. Ihre Knie knickten ein, als ein Gefühl wie tausend Nadeln ihre Zehen durchdrang. Sie spürte, dass sie gleich fallen würde. »O Gott«, stieß sie hervor, als Claire auf sie zukam.
Erbie streckte eine Hand nach ihr aus, während sie sich mit der anderen nach wie vor an der Tür festhielt ... doch Claire stürzte auf sie zu.
»Helfen Sie mir, Miss Claire. Mir ist schwindlig, ich ...«
Plötzlich brüllte eine Stimme: »Claire! – Claire!« Es war Dr. Viviee, der an der Tür stand.
Claire wirkte wie benommen. Sie sah ebenfalls zu dem Arzt und begann zu zittern. Er lehnte sie an die Wand und streckte die Hand nach Erbie aus.
»Kommen Sie, Erbie, lassen Sie die Tür los«, forderte er sie leise auf.
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, keuchte Erbie.
»Nehmen Sie meine Hand. Vertrauen Sie mir. Nehmen Sie meine Hand.«
124
»Wenn du dieses Spiel ausknipst, knipse ich dich aus, und danach deine Freunde«, drohte Spider. Justin glaubte ihm jedes Wort. »Du wirst spielen, reicher Knabe, und wir erhöhen den Einsatz. Wenn du verlierst, verlierst du. Kapiert?«
Justin wollte die Flucht ergreifen, war jedoch vor Angst wie gelähmt. Langsam setzte er sich. Ein Schweißtropfen rann ihm brennend ins Auge, und sein Herz hämmerte so wild, dass er fürchtete, zu hyperventilieren. Das Letzte, was er wollte, war, seine absolute Panik preiszugeben. Im Hintergrund hörte er Sean wimmern. Spider anscheinend auch. Er richtete die Waffe auf Sean, und Justin wappnete sich unwillkürlich für den Knall. »Bleib cool«, sagte er rasch. »Alles in Ordnung. Spielen wir zu Ende und leben wir weiter, damit wir es ein andermal wiederholen können, ok, Spider? Du bist ein großartiger Spieler. Macht Spaß gegen dich.« Irgendwie gelang es ihm, sich ein Lächeln abzuringen.
»Und du bist ein beschissener Lügner«, herrschte Spider ihn an. »Und jetzt spiel endlich.« Er legte die Pistole auf den Tisch vor seine Konsole.
Die nächste Spielstufe war ein Kampf gegeneinander namens Drachenzorn. Justin hatte ihn noch nie in einem so hohen Level gespielt, auch noch nie direkt gegen einen anderen Spieler. Beide Könige verwandelten sich in Drachen. Spiders roter Drache griff Justins violetten an, bevor sich Justin orientieren konnte. Er fühlte sich hilflos, während der rote Drache wild auf ihn einstürmte. Justin war völlig verwirrt. Die Lebensenergie seines Drachen schwand rasch, und seine Bewegungen verlangsamten sich. Dann entfesselte er einen mächtigen Hieb gegen den roten Drachen – mächtiger, als er erwartet hatte. Ihm fiel ein, was seine Mutter gesagt hatte; die Spieldesigner hatten alle möglichen Tricks eingebaut, damit man etwas tat, wenn man eigentlich genau das Gegenteil tun sollte. Plötzlich begriff er, dass sich der Zorn seines Drachen mit schwindender Lebensenergie steigerte. Was, wenn er sich zurückhielte und keine Gegenangriffe unternähme? Was, wenn sich der Zorn seines Drachen durch die Prügel steigerte, die er vom roten Drachen einsteckte? Justin stellte seine Gegenangriffe ein. Er sah, wie sich Spiders Lippen zu einem siegessicheren Grinsen verzogen. Dann, als seine Lebensenergie beinah erschöpft war, holte Justin zu einem einzigen Gegenschlag aus – und vernichtete Spiders Drachen auf Anhieb.
Danach spielte Justin beinah unterbewusst – nur noch nach Instinkten und Gefühl –, bis auf dem Bildschirm Armageddon: die ultimative Schlacht angezeigt wurde. Blut troff von den Buchstaben des Titels. Justins Handflächen waren nass und kalt. Krampfhaft versuchte er, sein Zittern zu unterdrücken.
Bitte, Gott, verlass mich jetzt nicht. Schenk mir Ruhe. Es tut mir alles so leid. Was immer du von mir willst ich werde es tun. Lass uns das hier nur überstehen!
Die Armeen versammelten sich. Jeder Spieler wählte die seiner Meinung nach beste Reihenfolge der Gefangenen aus, die nun als Soldaten bezeichnet wurden. Sie würden gegeneinander kämpfen, bis jemand seinen König verlor.
Justin war immer noch unschlüssig, ob er gewinnen oder verlieren wollte. Er wollte beides. Justin verstand die Bedeutung von »Wenn du verlierst, verlierst du«, doch er war nicht sicher, welche Konsequenzen es hätte, wenn er gewönne. Es schien keine sichere Lösung zu geben.
Spider wählte zuerst und schickte den Schwertkämpfer aufs Feld. Justin reagierte mit seinem eigenen Schwertkämpfer. Zuerst wurde er ein paar Mal getroffen, doch er fing sich rasch und besiegte Spider. Er entschied sich als Nächstes für
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