Das also ist mein Leben - Chbosky, S: Das also ist mein Leben - The Perks of Being a Wallflower
zumindest aber einen, der offen darüber redet. Keine Ahnung. Jedenfalls wollte mein Vater dann wissen, wie sich mein Bruder und Kelly kennengelernt hatten.
Mein Bruder und Kelly hatten sich an der Penn State in einem Restaurant namens Ye Olde College Inn oder so ähnlich kennengelernt. Da gibt es offenbar diesen berühmten Nachtisch: »Grilled Stickies«. Auf jeden Fall war Kelly mit ihren Verbindungsfreundinnen da, und als sie
gerade aufbrachen, fiel ihr direkt neben dem Tisch meines Bruders eines ihrer Bücher runter, und sie ging einfach weiter. Mein Bruder ist sich sicher, dass sie das Buch absichtlich hat fallen lassen, auch wenn sie das bestreitet. Vor dem Eingang zum Videoladen holte er sie ein, und überall um sie herum blühte es. Zumindest erzählte er das so. Sie verbrachten den Rest des Nachmittags damit, alte Videospiele wie Donkey Kong zu spielen und sich »nostalgisch« zu fühlen, was ich eigentlich sehr süß und auch etwas traurig fand. Ich fragte meinen Bruder, ob Kelly gern Kakao trinkt.
»Sag mal, bist du high, oder was?«
Und wieder sagte meine Mutter, er solle solche Ausdrücke nicht in meiner Gegenwart gebrauchen, was auch wieder lustig ist, weil ich vermutlich der Einzige in der Familie bin, der jemals high gewesen ist. Gut, vielleicht auch mein Bruder, da bin ich mir nicht sicher. Meine Schwester jedenfalls ganz bestimmt nicht. Andererseits, vielleicht war meine ganze Familie schon einmal high, und niemand redete darüber.
Jedenfalls verbrachte meine Schwester die nächsten zehn Minuten damit, das ganze System der Studentenverbindungen mit ihren griechischen Buchstaben in Bausch und Bogen zu verdammen. Diese widerlichen Einführungsrituale! Und es seien schon Studenten unter diesen Schikanen gestorben! Und sie hätte gehört, dass eine dieser Verbindungen alle neuen Mädchen in Unterwäsche antreten ließ und mit rotem Filzstift ihr »Fett« markierte! An diesem Punkt hatte mein Bruder genug.
»So eine verdammte Scheiße!«
Ich kann immer noch nicht glauben, dass mein Bruder im Auto geflucht hat und Dad oder Mom nichts gesagt haben. Offenbar ist es in Ordnung, jetzt, da er aufs College geht. Meiner Schwester machte es auch nichts aus. Sie redete einfach weiter.
»Das ist keine Scheiße, ich habe das so gehört.«
»Achte auf deine Ausdrucksweise, junge Dame«, kam es von Dad.
»Ah ja? Und wo hast du es gehört?«, fragte mein Bruder.
»Im Radio«, sagte meine Schwester.
»Im Radio!« Mein Bruder kann wirklich sehr laut lachen.
»Es stimmt aber!«
Meine Mutter und mein Vater sahen aus, als verfolgten sie durch die Windschutzscheibe ein Tennisspiel – sie schüttelten die ganze Zeit ihre Köpfe, sagten aber kein Wort. Und sahen auch nicht zu uns nach hinten. Allerdings drehte mein Vater die Weihnachtsmusik im Radio immer lauter.
»Du laberst so eine Scheiße. Woher willst du das alles eigentlich wissen? Du hast keine Ahnung vom College. Kelly hat so was nie erlebt.«
»Na klar, als ob sie dir das erzählen würde!«
»Ja, würde sie. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. «
»Oh, du bist ja plötzlich der einfühlsame Typ!«
Ich wollte, dass sie mit der Streiterei aufhörten, weil es mich aufzuregen begann, also stellte ich eine Frage.
»Redet ihr auch über Bücher und Probleme und so etwas? «
»Ja, das tun wir tatsächlich, Charlie. Kellys Lieblingsbuch ist ›Walden‹ von Henry David Thoreau, und sie meinte neulich, dass der Transzendentalismus uns noch immer viel zu sagen hat.«
»Uff! Was für ein Gesülze!« Im Augenverdrehen ist meine Schwester wirklich die Allerbeste.
»Oh, tut mir leid, aber hat irgendjemand mit dir geredet? Ich habe gerade meinem kleinen Bruder von meiner Freundin erzählt. Kelly sagt, sie hofft darauf, dass die Demokraten einen guten Kandidaten gegen Bush aufstellen. Und sie hofft, dass dann endlich der Verfassungszusatz zur Gleichberechtigung in Kraft treten kann. Ganz genau – der Verfassungszusatz, wegen dem du immer so rumjammerst. Auch Cheerleader denken über so was nach. Und dazwischen können sie sogar Spaß haben. «
Meine Schwester verschränkte die Arme vor der Brust und begann zu pfeifen, aber mein Bruder war zu sehr in Fahrt, um jetzt lockerzulassen. Ich bemerkte, wie Dads Hals ziemlich rot wurde.
»Es gibt aber noch einen Unterschied zwischen ihr und dir. Kelly glaubt so fest an die Rechte der Frauen, dass sie sich nie von einem Typen schlagen lassen würde. Und über dich kann man das ja wohl nicht sagen.«
Ich
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