Das also ist mein Leben - Chbosky, S: Das also ist mein Leben - The Perks of Being a Wallflower
bisschen fester. Und er bewegte sein Gesicht auf meines zu. Und dann küsste er mich. Ein richtiger Kuss. Dann ließ er mich langsam wieder los.
»Tut mir Leid.«
»Ist schon okay.«
»Im Ernst. Es tut mir leid.«
»Nein, wirklich. Das war okay.«
Also sagte er »Danke« und umarmte mich noch einmal. Und beugte sich vor, um mich noch einmal zu küssen.
Und ich ließ ihn einfach – keine Ahnung, wieso. Wir blieben ziemlich lange im Auto.
Außer Küssen haben wir aber nichts gemacht. Und auch das nicht sonderlich lange. Nach einer Weile verloren Patricks Augen diesen starren, betäubten Blick vom Wein oder dem Kaffee oder der durchgemachten Nacht. Und dann fing er an zu weinen. Und dann fing er an, über Brad zu reden.
Und ich ließ ihn einfach. Denn dafür sind Freunde ja da.
Alles Liebe,
Charlie
17. Mai 1992
Lieber Freund,
seit diesem Abend mit Patrick bin ich morgens immer ganz erschlagen. Mein Kopf tut weh, und ich bekomme kaum Luft. Patrick und ich verbringen nämlich viel Zeit miteinander, und wir trinken ziemlich viel, wobei es eigentlich vor allem Patrick ist, der trinkt. Ich nippe nur.
Es ist wirklich schlimm, einen Freund so leiden zu sehen. Besonders, wenn man nichts tun kann, außer »da zu sein«. Dabei will ich doch, dass es ihm wieder besser geht. Also begleite ich ihn einfach, wenn er mir etwas von »seiner Welt«, wie er sagt, zeigen will.
Eines Abends nahm er mich mit in diesen Park, in dem sich Männer heimlich treffen. Er sagte, wenn ich nicht belästigt werden wollte, sollte ich einfach jeglichen Blickkontakt vermeiden. Per Blickkontakt vereinbart man nämlich, miteinander rumzumachen – ganz anonym. Niemand sagt ein Wort, man sucht sich einfach irgendwo einen Platz. Nach einer Weile fand Patrick jemanden, der ihm gefiel, und fragte mich, ob ich Zigaretten brauchte, und als ich Nein sagte, klopfte er mir auf die Schulter und ging mit dem Typen weg.
Ich setzte mich auf eine Bank und sah mich um. Ich konnte Schatten von Leuten erkennen – einige im Gras, einige bei einem Baum, einige wanderten einfach nur herum. Es war alles ganz still. Irgendwann zündete ich mir eine Zigarette an, und da hörte ich auf einmal jemanden neben mir flüstern.
»Hast du noch eine Zigarette?«
Ich drehte mich um und sah einen Mann im Dunkeln.
»Klar.«
Ich gab ihm eine Zigarette.
»Hast du Feuer?«
»Klar.«
Ich zündete ein Streichholz an, und statt sich einfach mit der Zigarette vorzubeugen, streckte der Mann die Hand aus, um die Flamme mit unseren beiden Händen zu schützen – wie man es macht, wenn es windig ist. Es war aber nicht windig. Ich glaube, er wollte einfach nur meine Hände berühren, denn er tat es viel länger als nötig, während er die Zigarette anzündete. Vielleicht wollte er auch, dass ich im Schein des Streichholzes sein Gesicht sah.
Keine Ahnung. Irgendwie kam er mir bekannt vor, ich wusste aber nicht, woher.
Er blies das Streichholz aus. »Danke.«
»Kein Problem.«
»Macht es dir was aus, wenn ich mich zu dir setze?«
»Nein.«
Also setzte er sich zu mir, und erzählte ein wenig. Und auf einmal dachte ich: Seine Stimme – ich kenne diese Stimme! Ich zündete mir noch eine Zigarette an, sah ihn mir noch einmal an, dachte angestrengt nach – und dann kam ich drauf: Er war dieser Typ, der im Fernsehen die Sportnachrichten moderierte! Unglaublich!
»Ein schöner Abend, nicht wahr?«, sagte er.
Ich bekam wohl irgendwie ein Nicken hin, denn er redete weiter – über Sport! Er redete davon, dass der neue Schlagmann beim Baseball nichts taugte und wieso Baseketball so ein kommerzieller Erfolg war und welche Teams im Collegefootball vielversprechend waren. Er erwähnte sogar meinen Bruder. Ganz ehrlich! Und dann sagte ich: »Und wie ist das so, im Fernsehen zu sein?«
Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, denn er stand wortlos auf und ging, und das war wirklich schade, denn ich wollte ihn noch fragen, ob er meinte, dass mein Bruder es mal unter die Profis schafft.
An einem anderen Abend nahm mich Patrick in einen Laden mit, in dem man Poppers kaufen konnte. Das sind diese Drogen, die man einatmet. Sie hatten gerade keine Poppers da, aber der Typ hinter der Theke sagte, er hätte etwas, das genauso gut sei. Also kaufte Patrick etwas davon. Es war in einer Art Spraydose. Wir nahmen beide
einen kurzen Atemzug, und ich schwöre, wir dachten, wir würden einen Herzinfarkt kriegen.
Ich glaube, Patrick nahm mich einfach überall mit hin, wo ich sonst nie hingekommen
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