Das alte Haus am Meer
›Pamela und ich waren schon zwanzig Jahre lang Cousinen, bevor wir uns kennen gelernt haben, und sie hat einfach darauf bestanden, dass ich bleibe.‹ Sie haben die Lowstocks sicher schon kennen gelernt?«
»Leider nein.«
Mrs Mallam sah schockiert aus.
»Was macht Dale eigentlich? Er hätte Sie allen vorstellen müssen. Wahrscheinlich wollte er Sie für sich allein behalten. Aber Pamela Lowstock muss er Sie wirklich vorstellen. Sie ist so eine entzückende Person und eine sehr alte Freundin von Dale. Es gab sogar einmal eine Zeit … aber wir sollten keine alten Geschichten aufwärmen, nicht wahr?«
Alicia platzte mit hellem Lachen dazwischen.
»Aber warum denn nicht, Aimée? Keine Lüge ist so gut wie eine alte. Vor allem, weil es keiner mehr überprüfen kann.«
Sie bekam einen Klaps auf den Arm und nur langsam ein schräges Lächeln.
»Immer ein Scherz auf den Lippen, Schätzchen.« Sie wandte sich wieder an Lisle. »Gehen Sie mit mir im Garten spazieren, dann erzähle ich Ihnen alles über Dales alte Flammen.«
Dazu kam es jedoch nicht mehr. Als das Mittagessen vorbei und der Kaffee getrunken war, ließ Dale verlauten, er müsse zum Zug und Lisle führe ihn und Alicia nach Ledlington. Es blieb keine Zeit mehr für einen Spaziergang im Garten.
Wenn Mrs Mallam enttäuscht war, so zeigte sie es nicht. Ungerührt lächelte sie Lisle an und fragte, ob sie mit ihr nach oben gehen könne.
»Nur ein paar kleine Restaurierungsarbeiten, mein lieber Dale.«
Wenn es seine Absicht gewesen war, ein Tète-à-Tète zu verhindern, so war er nun auf verlorenem Posten. Alicia, die ihm vielleicht hätte helfen können, zog nur sarkastisch die Augenbrauen in die Höhe und verschwand in Richtung ihres eigenen Zimmers. Dale musste zusehen, wie Lisle und Aimée nebeneinander die schwarz-weiße Marmortreppe hinaufgingen. Als sie auf der Galerie wieder in seine Richtung gingen, hörte er ihre Stimmen, genauer gesagt Aimées Stimme:
»Tanfield ist wirklich einmalig.«
Mrs Mallam wiederholte die Bemerkung, als sie sich vor Lisles Spiegel die Nase puderte. Der Spiegel reflektierte das Licht so, dass man das ganze Zimmer darin sah. Trotz der drei langen Fenster war es düster. Ein enormer Mahagonischrank nahm fast die gesamte gegenüberliegende Wand ein. Die dunklen Schiebetüren und seine riesigen Ausmaße gaben ihm das Aussehen eines Felsens, der eine Landschaft dominiert. Er schluckte das Licht und reflektierte nichts davon. Zwischen den beiden Türen stand eine hohe Kommode. Die Teppiche, es waren strapazierfähige viktorianische Stücke, waren in verschiedenen Schattierungen von Braun und Grün gemustert, die sich zu einer trüben Melange verbunden hatten. Dieselben Farben wiederholten sich in den Vorhängen aus Damast. Alles im Zimmer war vor langer Zeit einmal sehr teuer gewesen und verfiel nun in Würde. Ehrwürdig und sehr düster.
Mrs Mallam wandte sich mit dick gepuderter Nase an ihre Gastgeberin.
»Meine Liebe, warum renovieren Sie hier nicht? Das ist ein schöner Raum, aber Sie sind doch nicht Ihre Urgroßmutter. Kriegen Sie keine Gänsehaut von all diesen Schlamm- und Spinatfarben?«
In Lisle rebellierte es. Sie gewöhnte sich langsam an Mrs Mallams Stimme. Nun, da sie so viele andere Sachen von ihr gehört hatte, verloren die hinter der Eibe gesprochenen Sätze ihre Wirkung. Sie fand Mrs Mallam ungezogen und ermüdend, aber sie war froh, dass sie gekommen war; denn die Erkenntnis, dass sie nichts weiter als eine ordinäre Intrigantin war, nahm dem Gehörten den Stachel. Sie antwortete deshalb freundlich und mühelos:
»Ja, es ist ziemlich dunkel und altmodisch. Aber finden Sie nicht, dass es zu dem Raum passt? Schloss Tanfield ist schließlich alt, und ich glaube nicht, dass Dale irgendwelche Veränderungen möchte.«
Wenn Aimée Mallam lachte, blieben ihre Lippen geschlossen. Sie verzogen sich zu einer dünnen, gebogenen Linie, und das Lachen kam gurgelnd wie Wasser aus einer enghalsigen Flasche. Nein, nicht Wasser, Honig. Rafes Worte, und Rafe hatte Recht.
»Nun, meine Liebe, eine Veränderung zum Besseren hat Dale jedenfalls vorgenommen. Sie kannten Lydia vermutlich nicht? O nein, Sie konnten Sie ja nicht kennen. Sie waren höchstens zehn oder zwölf, als sie starb.«
Lisle sagte: »Ich kannte sie nicht.« Sie wollte das Thema wechseln, aber ihr fiel nichts ein.
Aimée blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an und lächelte ihr dünnes Lächeln.
»Wissen Sie, es war schon erstaunlich, dass er sie geheiratet hat.
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