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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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keinen Grund dazu.«
Aimée Mallam lachte trocken.
»Ich mache mir trotzdem Gedanken«, fuhr sie fort. »Ich musste an die arme Lydia denken, Dales erste Frau, Sie wissen ja. Ich war nur eine Kurve weiter, als sie stürzte, und ich hörte ihren Schrei. Das habe ich nie vergessen. Es hieß, sie habe Blumen gepflückt. Jedenfalls ist sie abgestürzt und kam dabei um. Bei Ihnen war es nur Ihre Jacke, die hinabfiel, und eine andere Frau kam dabei um. Aber finden Sie nicht, dass dabei etwas faul sein könnte?« Sie steckte den Lippenstift in ihre Tasche zurück und wandte sich vom Spiegel ab und Lisle zu. »Hören Sie, ich erzähl Ihnen mal was von Lydia. Die Stelle, an der sie abstürzte, war nicht gefährlich. Es geschah nicht beim Klettern oder so. Wir gingen auf einem breiten, kurvenreichen Weg, der sich um die Felsen wand. Sie kennen solche Wege. Mein Mann und ich gingen weiter hinten. Die anderen waren außer Sichtweite, als wir den schrecklichen Schrei hörten. Ich rannte los, kam um die Kurve, und da, direkt vor mir war Dale und blickte den Abhang hinab. Ein Stückchen weiter, bei der nächsten Kurve, war Rafe und blickte ebenfalls hinunter. Und dazwischen war die Stelle, wo Lydia abgestürzt war. Dort stand ein Busch, und der war herausgerissen. Alicia und Rowland Steyne waren weiter oben. Neben dem Weg ging es leicht den Hang hinauf. Er war ziemlich weit oben, und etwas weiter unten schrie sie wie eine Irre. Sie hatten nichts gesehen, nur den Schrei gehört. Rafe sagte, er sei schon um die nächste Kurve gewesen und dann zurückgerannt. Dale sagte, Lydia hätte am Rand des Abgrunds Blumen gepflückt und ihm gesagt, er solle zurückgehen und mal nachsehen, wo mein Mann und ich bleiben. Er behauptete, er sei gerade bis zur Kurve gekommen, als er sie schreien hörte. Er hat sie nicht fallen sehen. War angeblich außer Sichtweite. Vielleicht war es ja so, der Weg war sehr kurvig. Jedenfalls hat niemand gesehen, wie sie stürzte. Auch bei diesem Mädchen hat niemand gesehen, wie sie stürzte, nicht wahr? Außer demjenigen, der ihr den Stoß gab – wenn ihr jemand einen Stoß gab.«
Lisle stand da und blickte sie an. Sie hatte das Gefühl, die Augen nicht bewegen zu können. Sie konnte nicht wegsehen. Steif und unnatürlich sagte sie:
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Weil ich mir Fragen stelle«, sagte Aimée Mallam. »Und an Ihrer Stelle würde ich mir auch Fragen stellen. Und noch etwas würde ich tun, und zwar ohne es mir zweimal zu überlegen.«
»Was meinen Sie?«
Mrs Mallam nahm ihre Tasche und ging zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke – eine plumpe Hand mit zu vielen Ringen – wandte sie sich um.
»Ich würde nach Amerika zurückgehen.«
    31

    Miss Silver trank Tee im »Grünen Mann«, bevor sie Crook Hill hinaufging, um den Bus nach Ledlington zu nehmen. Es war ihr gelungen, vor und nach der Verhandlung mit einer ganzen Reihe verschiedener Menschen ins Gespräch zu kommen. Über einen Unfall oder einen Mord wird immer bereitwillig geredet. In diesem Fall waren alle einer Meinung, und die wurde mit unterschiedlichem Temperament geäußert. Cissie Cole war ein anständiges Mädchen. Keine Draufgängerin, sondern anständig. Man konnte es ihr nicht zum Vorwurf machen, dass sie Pell mochte, da sie ja glaubte, er sei unverheiratet. Keiner konnte sich erklären, was sie an ihm fand. Aber als herauskam, dass er verheiratet war, und dass er mehr wollte, da sperrte sie sich, und er stieß sie im Zorn die Klippen hinab. Ein Dutzend Mal hatte Miss Silver Gelegenheit, »Du meine Güte, wie entsetzlich« auszurufen oder, »Wirklich kaum zu glauben«. Letzteren Ausspruch fand sie äußerst nützlich, da er unweigerlich eine ganze Flut weiterer Details auslöste.
    Sie benutzte ihn bei Mrs Mottle, der Wirtin vom »Grünen Mann«, als diese eine braune Teekanne mit leuchtend blauem Streifen und einen Teller Sandgebäck vor ihr abstellte. Milchkännchen und Zuckerschale standen bereits auf dem Tisch aus lebhaft gemustertem Walnussholz mit nur einem massiven Bein in der Mitte. Die Tischplatte war sorgsam durch etliche olivgrüne und lachsfarbene Häkeldeckchen geschützt. Auf zwei solcher Deckchen stand ein altes Metalltablett mit vergoldeten Schnörkeln und rotem und blauem Blumenmuster. Ein Farn im rosa Übertopf hatte ein weiteres Deckchen in der Mitte des Tisches für sich.
    Mrs Mottle stellte die Teekanne neben dem Milchkännchen und der Zuckerschale auf dem Tablett ab, legte ein weiteres Deckchen für das

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